Man nennt ihn den “Klassiker der Klassiker”, dabei war Bruno Giacosa durchaus auch ein Revoluzzer in seiner Heimat Piemont. Zugegebenermaßen nicht in der altvertrauten Debatte, ob nun ein Barrique in einen Keller von Barolo oder Barbaresco gehört oder nicht. Nach wie vor bleibt neues Holz bei der Azienda Agricola Falletto di Bruno Giacosa draußen, ebenso bei der Casa Vinicola Bruno Giacosa, bei der zugekauftes Traubengut verarbeitet wird. Nur für den Barbera wird eine Ausnahme gemacht, aber die umfasst immerhin 700 Liter statt der üblichen 225. Aber ansonsten hat sich auch der Klassiker der Klassiker längst der Zeit angepasst – und vergärt temperaturkontrolliert in Edelstahltanks mit moderner Remontage- und Rührtechnik, so dass auch in einer verkürzten Maischezeit ausreichend Tannin und Farbe aus den Schalen ausgelaugt wird. Die alten Fässer aus slowenischer Eiche sind ebenfalls längst ausrangiert und ersetzt durch große Fässer (von 22 bis 110 Hektoliter) aus französischer Eiche, die den Gerbstoff seidiger stimmen. Modern oder traditionell – diese Diskrepanzen haben sich auf praktische Art und Weise aufgelöst.
Aktuell dagegen lodert der Streit um die Klassifikation der Lagen. Auf der einen Seite wieder eine Gruppe von Klassikern, die überzeugt ist, dass ein typischer Barolo oder Barbaresco am besten als Blend verschiedener Lagen entsteht. Auf der anderen die Terroiristen, die glauben, dass eine Einzellage bei jedem Wein einen individuellen Charakter prägt. Diesmal gehört Bruno Giacosa zu ihnen. 1967 war er einer der ersten, die Einzellagen aus Barolo und Barbaresco abfüllten und deren Namen aufs Etikett schrieben. 1982 kaufte er, der sich in der Region auskennt wie kaum ein anderer, die Lage Falletto in Barolo. Inzwischen gehören ihm dort 14,5 Hektar. 1996 kaufte er eine erste Parzelle in der Lage Asili in Barbaresco, später eine Parzelle in der benachbarten Lage Rabajà (diese Parzelle wurde von den Behörden kürzlich der Lage Asili zugeschlagen und darf seitdem nicht mehr unter dem Lagennamen Rabajà abgefüllt werden). Insgesamt verfügt Giacosa nun über 4,5 Hektar Eigenbesitz in Asili.
Von diesen beiden Lagen kommen, wenn der Jahrgang es zulässt, seine berühmten Riserve mit dem kupferroten Etikett (der Barolo stammt immer aus dem Herzstück dieser Lage, die Le Rocche heißt). Diese Weinmonumente, die erst nach fünf Jahren freigeben werden (aber normalerweise nur drei Jahre im Fass und zwei Jahren auf der Flasche reifen), gehören zu den gesuchtesten und teuersten Weinen ganz Italiens.
Daneben hat Bruno Giacosa Weinberge in den Lagen Santo Stefano (in Neive) und Croera (in La Morra) gepachtet. Diese Barbaresco beziehungsweise Barolo werden unter den entsprechenden Lagennamen mit dem klassischen weißen Etikett abgefüllt (unter dem auch der Barbaresco Asili und der Barolo Falletto di Serralunga in den Jahren erscheinen, die keine Riserva hergeben).
Für seine anderen Rotweine wie Dolcetto, Barbera, Nebbiolo sowie die einfachen Barolo und Barbaresco werden die Trauben zugekauft. Gleiches gilt auch für den weißen Arneis und die flaschenvergorenen Schaumweine, die ausschließlich aus Pinot Nero-Trauben aus dem Oltrepò Pavese gewonnen werden.
Bruno Giacosa hat nie viel Worte über sich gemacht. Er ließ stets seine Weine für sich sprechen – und bevorzugte zu schweigen. Geboren 1929, machte er mit 14 Jahren seinen ersten Jahrgang. Es war der 1944er. Doch es war nicht nur seine Einfühlungsgabe im Keller, die den Weinen unvergleichlichen Charakter, Struktur und Langlebigkeit verlieh. Was Bruno Giacosa vor allem zu einer Legende gemacht hat, sind seine überragenden Kenntnisse der Lagen in der Langhe, die es ihm ermöglicht haben, nur die besten Früchte für das Familienweingut aufzuspüren.
Den Weg der Trauben bis in die Flasche begleitet der 82Jährige auch heute noch wachsam, fast genau fünf Jahre, nachdem er einen Schlaganfall erlitten hat. Die Geschäfte führt seit vielen Jahren schon seine älteste Tochter Bruna. Sie hütet das Erbe mit der gleichen Passion wie ihr Vater. Bruno Giacosa selbst verkostet seine Weine nach wie vor regelmäßig und erschien bis vor kurzem noch täglich im Keller – mit Gehhilfe, aber auf eigenen Beinen. Im Keller sorgen der junge, frisch von der Universität gekommene Önologe Francesco Versio und Giacosas altgedienter Kellermeister Dante Scaglione, der jetzt beratend arbeitet, für Kontinuität.
Am 19. November 2011 fand im Ristorante Alfredo in Köln ein Dinner statt, zu dem die Weine Bruno Giacosas gereicht wurden. Organisator war Nino Consiglio, Giacosas Importeur für Deutschland. Insgesamt wurden neun Weine gereicht, davon je drei junge und ältere Jahrgänge seiner Barolo und Barbaresco.