Sonntag, Oktober 6, 2024
5.8 C
München
spot_img

Bordeaux-Subskription 2010: Besser als Festgeld

Während der 2010er Bordeaux noch in den Fässern seiner Reife entgegen dämmert, wird er auf dem Markt bereits gehandelt. Das heißt: Man kann ihn vorbestellen. Ausgeliefert wird er erst zwei Jahre später, wenn er in der Flasche ist. Subskription heißt diese Art von Vorverkauf.

Von wenigen Ausnahmen abgesehen, gibt es den Kauf per Subskription nur in Bordeaux. Clevere Leute nutzen ihn, um in den Genuss günstiger Preise zu kommen. Denn in diesem frühen Stadium ist der Wein in der Regel noch günstig – sofern man das bei den Preisen sagen kann, die derzeit in Bordeaux aufgerufen werden. „Lieber den Wein vorfinanzieren als zwei Jahre später das Doppelte für ihn zahlen“, hat Pierre-Antoine Casteja, einer der bekanntesten Négoçiants von Bordeaux, die Idee beschrieben, die hinter dem Subskriptionskauf steht.

Bordeaux ist auch eine Währung

Die Banken zahlen für Festgeld derzeit durchschnittlich 3 % Zinsen pro Jahr. Wer würde da nicht eine Anlage vorziehen, die 100% in zwei Jahren verspricht? Und Bordeaux ist nicht nur ein Wein. Er ist ein Wert. Manche behaupten sogar: eine Währung. Auf jeden Fall eine solidere Anlage als irische Staats- oder griechische Schrottanleihen. Das Risiko ist überschaubar: „Das Schlimmste, was dem Bordeaux-Anleger passieren kann, ist, dass er seinen Wein selber trinken muss“, witzelt Casteja.

Schöne Aussichten! Doch es gibt auch andere, weniger freundliche Szenarien: Das Schlimmste ist, wenn der Wein später weniger kostet als man vorher gezahlt hat. Das würde schmerzen. Dann schmeckt auch der beste Bordeaux nicht mehr. Beim 2005er ist das fast passiert. Ein überragender Jahrgang, deswegen sehr teuer in der Subskription. Zu teuer, befand der Markt, nachdem die Natur mit dem 2009er einen angeblich noch besserer Jahrgang beschert hatte. Die Preise für den 2005er stagnierten. Teilweise fielen sie. Inzwischen liegen sie wieder im Plus. Die stürmische Nachfrage nach dem 2009er und die noch höheren Preise für den 2010er haben sie förmlich mit nach oben gerissen.

Können die Jahrgänge immer besser werden?

Der 2009er galt bis zum letzten Jahr ultimativ als das Beste, was Bordeaux in den letzten Jahrzehnten hervorgebracht hat. Deshalb haben sich viele Bordeauxtrinker verwundert die Augen gerieben, als ruchbar wurde, dass mit dem 2010er  schon ein Jahr später ein gleich guter Jahrgang vor der Tür stehen sollte. Viele Chateauxbesitzer meinen sogar: ein noch besserer.

1982 Pichon Lalande

Georges Thienpont, Besitzer von Vieux Chateau Certan, spricht vom 2010er nur in Superlativen: „Noch nie waren die Weine so dunkel, noch nie wiesen sie so seidige Tannine auf wie in 2010.“ Für Frédéric Engerer, Direktor von Chateau Latour, ist der 2010er bereits jetzt „rundum perfekt“. Coralie de Bouard, Tochter von L’Angélus-Besitzer Hubert de Bouard, mutmaßt: „Es ist der vielleicht der beste Jahrgang, den mein Vater je gemacht hat.“ Ihr Vater ist seit 1987 für die L’Angélus-Weine verantwortlich. Und Pauline Vauthier, Besitzerin von Chateau Ausone, bekennt ohne Umschweife: „Meine Begeisterung über den 2010er ist noch größer als die über den ebenfalls außergewöhnlichen 2009er.“

Investment nie ohne Risiko

Lohnt es sich nun, den 2010er zu subskribieren? Qualitativ auf jeden Fall. Aber das Preisniveau ist hoch. Sollte die Nachfrage, die derzeit vor allem durch außereuropäische Käufer genährt wird, zurückgehen, werden die Preise fallen. Wer jetzt kauft, wird dann zuviel gezahlt haben. Mit diesem Risiko muss leben, wer Wein subskribiert. Doch derzeit deutet nichts darauf hin, dass dieses Szenario eintritt. Die USA werden nicht zahlungsunfähig werden. Und die Einführung der Prohibition droht den westlichen und fernöstlichen Weintrinker-Nationen nicht. Auch ist unwahrscheinlich, dass der Jahrgang 2010, wenn er im Frühjahr 2013 auf den Markt kommt, nicht halten könnte, was er verspricht. Nicht nur die Chateaux-Besitzer schwärmen. Praktisch alle Kommentare der Kritiker, die ihn verkosten konnten, sind voll des Lobes über ihn.

Selbst in teure Jahrgänge kann sich die Subskription lohnen

In der Vergangenheit hat sich die Subskription meistens ausgezahlt. Wer beispielsweise Bordeaux aus dem Jahrgang 2008 subskribiert hatte, dürfte fast 100% Spekulationsgewinn verbucht haben. Ein durchschnittlicher, kein herausragender Jahrgang, der ursprünglich preiswert angeboten, dann aber vom amerikanischen Weinkritiker Robert Parker überraschend hochgeschrieben wurde. Folge: Die Preise zogen massiv an. Außerdem gilt in China die „8“ als Glückszahl, und Chinesen heizen derzeit die Bordeaux-Nachfrage mächtig an. Inzwischen hat Parker seine Meinung über den 2008er wieder nach unten revidiert. Doch bis jetzt sind die Preise für den Jahrgang auf dem alten Niveau geblieben.

Erste 2009er werden schon mit Gewinn verkauft

Selbst der 2009er hat sich für die, die ihn gezeichnet haben, gelohnt. Zwar mussten sie ihre verfügbare Liquidität förmlich zusammenkratzen, um nicht den größten Margaux und den größten Latour aller Zeiten zu verpassen. Doch nachdem der 2010er noch teurer ist, verkaufen die Ersten schon wieder ihre 2009er-„Futures“ mit 30 Prozent Gewinn, bevor sie den Wein überhaupt gesehen haben. Übrigens: Richtig teuer gemacht wurde der 2009er nicht durch die Chateaux (trotz massiver Preiserhöhungen), sondern durch spekulierende Négoçiants. Sie bekommen den Wein, den sie weiterverkaufen, von den Courtiers (Brokern) der Chateaux zugeteilt. Statt sich mit der normalen Marge, die zwischen 3 und 15 % liegt, zufrieden zu geben, verkauften sie den 2009er nur zögerlich weiter. Sie erkannten, wie groß die Nachfrage vor allem im asiatischen Raum war und wie sich die Preise hochschaukelten. Am Ende dürften die Cleversten von ihnen in wenigen Monaten Gewinne von 100 % realisiert haben.

1990 Latour

Beim 2010er ist die Situation etwas anders. Hier haben die Chateaux bislang nur verhältnismäßig geringe Mengen für den Subskriptionsverkauf zur Verfügung gestellt. Von manchen Chateaux heißt es, dass sie noch zwei Drittel des Weins zurückhalten. Eine Vorsichtsmaßnahme einerseits, um das hohe Preisniveau durch Verknappung abzusichern. Andererseits wollen sie die Spekulation durch die Négoçiants unterbinden – und von möglicherweise steigenden Preisen selbst profitieren. Für Subskriptionsinteressenten bedeutet das: früh kaufen. Möglichst jetzt. In zwei Jahren werden, wenn keine Weltwirtschaftskrise dazwischen kommt, die gesuchten 2010er eher teurer als billiger sein.

Spitzenjahrgänge sinken nicht im Preis

Spitzenjahrgänge sind noch nie im Preis gesunken, zumindest langfristig nicht. Alle guten Jahrgänge der letzten 20 Jahre haben sich als gute Investments erwiesen. Wer den 1982 Pichon Lalande für 40 Mark in der Subskription erworben hatte, könnte ihn heute locker für 500 Euro verkaufen. Das entspricht rechnerisch einem Wertzuwachs von 2400 %.  Der 1990er Latour hat bei einem Einstandspreis von 150 Mark bis heute über 1000 % zugelegt (jetziger Marktpreis: ca. 850 Euro). Hätte man die Entwicklung vorhergesehen und sich entsprechend mit Wein eingedeckt, wären alle Bordeauxtrinker heute Millionäre.

Dass die Käufer des 2010er ebenso auf ihre Kosten kommen, ist damit freilich nicht gesagt. Das Einstiegsniveau für den 2010er ist im Gegensatz zu damals extrem hoch, und die spätere Veräußerung des Weins auf dem Sekundärmarkt ist mit hohen Kosten verbunden. 30 Prozent Wertsteigerung sind allein durch die Auktionsnebenkosten schnell aufgefressen (Käufergebühren plus Transport, Versicherung, Lotgebühren etc., minus Verkäuferkommission). Hinzu kommt, dass die Spekulation sich letztlich auf weniger als 20 Chateaux fokussiert. Deren Weine in jenen Mengen zu bekommen, die eine Spekulation lohnend machen, ist für Privatanleger praktisch unmöglich.

Allen, die nicht vorrangig spekulieren, sondern nur einen guten Wein zum Selbertrinken im Keller haben wollen, ist ein Kauf des 2010ers dagegen anzuraten. Er ist herausragend, er ist langlebig, und ob es derart komplette Weine so schnell wiedergeben wird, ist fraglich – auch wenn der 2011er, wie aus Bordeaux zu hören ist, abermals gut zu werden droht.

- Anzeige -spot_img
- Anzeige -spot_img

Autor

Jens Priewe
Jens Priewe
Jens Priewe hat viele Jahre als Politik- und Wirtschaftsjournalist gearbeitet, bevor er auf das Thema Wein umsattelte. Er schreibt Kolumnen für den Feinschmecker und für das schweizerische Weinmagazin Merum. Für den Weinkenner, dessen Gesellschafter er ist, hat er seit der Gründung über 200 Artikel beigesteuert. Außerdem ist er Verfasser mehrerer erfolgreicher Weinbücher (u. a. „Wein – die grosse Schule“, „Grundkurs Wein“). Er stammt aus Schleswig-Holstein, lebt aber seit fast 40 Jahren in München.

Must know

- Anzeige -spot_img

Ähnliche Artikel

- Anzeige -spot_img