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Bordeaux-Hype: Wundersame Verteuerung des Carruades de Lafite

Wäre der Carruades de Lafite eine Aktie, läge der Dax heute bei 10 000 Punkten. Die Preisentwicklung des Zweitweines von Lafite-Rothschild ist noch atemberaubender als die des Grand Vin: Innerhalb von nur zwei Jahren ist der 2008er um mehr als 600 Prozent gestiegen. Kein anderer Wein kann auf eine solche Performance zurückblicken. Und das Komische ist: Seit er so teuer ist, finden ihn auch die Kritiker gut. Von Ulrich Sautter

Etikett Carruades-de-LafiteDie Zweitweine der großen Châteaux standen stets im Schatten der Erstweine. Man konnte sie preiswert kaufen, früh trinken und musste nicht viel Worte um sie machen. Doch der Bordeaux-Boom der letzten zwei Jahre hat nun auch die Zweitweine erreicht, vor allem den von Château Lafite-Rothschild aus Pauillac.

Er heißt Carruades de Lafite, kommt von den jungen Reben des Château, die noch keine 40 Jahre alt sind und daher für den Hauptwein nicht in Frage kommen. Dafür kostete der Carruades auch nur einen Bruchteil des großen Lafite, und nie hat jemand gezweifelt, dass dieser Preisunterschied seine Berechtigung hat. Der Preisunterschied existiert auch nach wie vor – nur auf wesentlich höherem Niveau. Wer genau nachrechnet, kommt beim Carruades auf eine Verteuerung von über 600 Prozent in zwei Jahren. Konkret: Den 2008er Carruades de Lafite konnte man in der Subskription noch für rund 50 Euro pro Flasche ergattern. Noch während er im Fass lag, begann der Preis zu klettern.

Schon im Juni 2010, also erst ein Jahr nach der ersten Notierung, war dieser im internationalen Handel auf 120 Euro pro Flasche gestiegen – hatte sich also mehr als verdoppelt. Wer geglaubt hatte, damit sei Schluss, wurde bald eines Besseren belehrt: Vier Monate später notierte der Carruades bereits bei 290 Euro – für einen Zweitwein ein unfassbarer Preis. Aktuell werden auf Auktionen Preise von über 360 Euro für den 2008 Carrudes de Lafite aufgerufen. Damit ist der 2008er Carruades teurer als Pichon Lalande und Léoville-Las-Cases. Sogar die Premiers Crus Classés dieses Jahrgangs kosten nur wenig mehr. Haut-Brion und Cheval blanc werden derzeit um die 400 Euro gehandelt.

Derweil haben auch ältere Carruades-Jahrgänge im Preis angezogen. In der Auktion von Koppe & Partner vom 16. April in Wien wechselten 12 Flaschen des Jahrgangs 2000 für immerhin 3600 Euro den Besitzer. Das entspricht einem Flaschenpreis von 300 Euro zuzüglich Aufgeld.

Auch den 2001er Carruades de Lafite hat es erwischt. Er wird derzeit für etwa 340 Euro gehandelt. Vor zehn Jahren in der Subskription kostete er 27,50 Euro. „Für das gleiche Geld können Sie fünf Flaschen Lynch-Bages vom gleichen Jahrgang kaufen“, hat René Gabriel im neuen WeinWisser ausgerechnet. Sein Kommentar: „Hier trifft Ideologie eindeutig auf Idiotie…“ Allerdings bewertet Gabriel selbst den 2001 Carruades  mit 19/20 Punkten („genialer Pauillac, wenn nicht sein Marktpreis wäre…“) genauso hoch wie den 2001 Lafite, während ihm der 2001 Lynch Bages nur 18/20 Punkte wert ist.

Schon tauchen erste Notierungen von 465, ja 600 Euro pro Flasche Carruades de Lafite auf – allerdings bei Spekulanten, die auf eine Fortsetzung des Wunders hoffen. Und auch auf die Zweitweine anderer Premiers Crus Classés strahlt der Erfolg des Carruades de Lafite ab: Der 2008er Les Forts de Latour hat gerade die 200-Euro-Marke geknackt.

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1 Kommentar

  1. Die Preisentwicklung der Zweitweine der Bordeaux Premier Crus sowie aller Güter des Lafite Imperiums beruht einzig auf der Nachfrage in China. Wer hier in Europa noch Lafite trinkt anstatt all seine Bestände zu verkaufen, muß ein wahrer Liebhaber des Weins und unempfänglich für Bares sein. Carruades de Lafite war immer einer der schwächsten Zweitweine, niemand wird ihn hierzulande vermissen. Freuen wir uns doch, daß uns noch genügend GUTE und BEZAHLBARE Weine bleiben. Sicherlich wird es von den findigen Lafite Machern bald noch einen Dritt- und Press-Viertwein, sowie einen Cassis de Lafite, Marc de Lafite, Crémant de Lafite und für die Damen Eau de Lafite, Savon de Lafite, Lafite Gesichtsmasken geben. Ach ja, vielleicht laufen in den Weinbergen ja noch köstliche Lafite Rebhühner herum und auf den Gebäuden sitzen zarte Lafite Tauben. Jeder Euro zählt, bevor die nächste Weinsau um den halben Globus getrieben wird.

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Autor

Jens Priewe
Jens Priewe
Jens Priewe hat viele Jahre als Politik- und Wirtschaftsjournalist gearbeitet, bevor er auf das Thema Wein umsattelte. Er schreibt Kolumnen für den Feinschmecker und für das schweizerische Weinmagazin Merum. Für den Weinkenner, dessen Gesellschafter er ist, hat er seit der Gründung über 200 Artikel beigesteuert. Außerdem ist er Verfasser mehrerer erfolgreicher Weinbücher (u. a. „Wein – die grosse Schule“, „Grundkurs Wein“). Er stammt aus Schleswig-Holstein, lebt aber seit fast 40 Jahren in München.

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