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Bordeaux: frischer Wind für den Giganten

Eine neue Generation von Winzern setzt auf die Natur und eine junge Ansprache

Durch das größte Qualitätsweinbaugebiet der Welt weht ein frischer Wind. Die Winzerinnen und Winzer des Bordelais haben die Zeichen der Zeit aufgenommen und sich auf den Weg gemacht – zu einer nachhaltigeren Wirtschaftsweise und zu Weinen für junge Weinfreunde mit einem modernen Lebensstil.

Nachhaltigkeit ist aktuell das alles überragende Stichwort der Weinbranche. Da kann das Bordelais mit respektablen Entwicklungen und Zahlen aufwarten: 75 Prozent der 109 000 Hektar Rebfläche sind nach Umweltkriterien zertifiziert, bis zum Jahr 2030 sollen 100 Prozent erreicht sein. 15 000 Hektar sind aktuell biologisch zertifiziert, was zugleich ein Plus von 30 Prozent innerhalb eines Jahres bedeutet.

Statistisch nicht genau zu erfassen sind die zahlreichen Details, die von den Winzern umgesetzt werden. So sind immer öfter in den, zu mittlerweile zu 75 Prozent begrünten Weinbergen in einer Reihe mit den Reben Obst- oder andere Laubbäume zu finden. Das Ziel: die Artenvielfalt im Weinberg zu erhöhen, Insekten und Vögeln eine Lebensraum zu geben. Gezielt werden auch größere Tiere im Weinberg eingesetzt, von biodynamisch arbeitenden Winzern Pferde, die weniger Verdichtung des Bodens erzeugen als Traktoren, Schafe, die die Begrünung zwischen den Reben kurz halten oder auch Hühner, die Insekten und Würmer dezimieren für eine lockeren Boden und eine natürlich Düngung sorgen.

In den Weingütern sind Solaranlagen auf dem Vormarsch, sei es zu Erhitzung von Brauchwasser oder zur Erzeugung von Strom. Der Blick in die Keller zeigt noch weitere Neuheiten: Neutrale Behälter wie Betontanks und zunehmend auch Amphoren sind immer häufiger zu sehen. Der Grund: Viele Winzer suchen einen modernere Interpretation ihrer Weine: weniger Holzeinsatz, weniger Röstnoten, weniger Wucht, dafür Fokus auf Frische, Finesse und Zugänglichkeit.

Viele dieser neuen Wein werden, wohl kein Zufall, von Frauen gemacht. So wie die Beispielhaften Rotweine einer neuen Generation, die Senior Editor Jossi Loibl hier vorstellt.

Alle Register

2018 Brin de Brillette Moulis en Medoc

Bei diesem Wein hat Gutsdirektorin Lucile Dijkstra alle Register des Themas Nachhaltigkeit gezogen: eine leichte Glasflasche, Etiketten aus Graspapier, die mit wasserlöslicher Tinte bedruckt sind, eine Kapsel aus pflanzlichem Wachs und Kartons aus recycelter und komplett wiederverwertbarer Pappe. Und auch noch vegan produziert. Und der Inhalt? Eine fruchtig-würzige und lebendige Cuvée aus Merlot und Cabernet-Sauvignon mit wohldosierten, reifen Gerbstoffen. 19,50 Euro bei www.vinothek-melter.com

Gutsdirektorin Lucile Dijkstra

Segen von oben

2020 Ceres, Claire Villars-Lurton, Haut-Medoc AOC

Ceres ist die römische Göttin des Ackerbaus und der Fruchtbarkeit. Im Griechischen heißt sie Demeter. Damit ist das Thema ist klar: Biodynamie. „Es war nicht leicht, einen Zugang zu finden“, erklärt Claire Villars-Lurton, Mitinhaberin von Chateau Hautes Bages Liberal. Schließlich ist sie studierte Naturwissenschaftlerin, „Doch es ist faszinierend, zu sehen, dass etwas funktioniert, was man nicht exakt erklären und analysieren kann“. Ihr Ceres ist ein „Naturwein“ nach französischem Verständnis, also ohne jeglichen Schwefel produziert. Mit schmalen 12,5 Prozent Alkohol zeigt er sich frisch und floral, mit feinen, unaufdringlichen Gerbstoffen. Ein guter Begleiter zu leichter moderner Küche mit Gemüse. 19,95 Euro bei www.bacchus-vinothek.de

Mitinhaberin von Chateau Hautes Bages Liberal, Claire Villars-Lurton & Ehemann Gonzague Lurton

Charakterstark

2018 Amphora Carmenère Chateau Carsin

Nea Berglund ist eine energiegeladene, resolute Frau. So passt es zu ihr, dass sie eine im Bordelais höchst seltene gewordene Rebsorte reinsortig ausbaut und das auch noch in der Amphore. „Ich habe den puren Ausdruck der Rebe und des Bodens gesucht“, erklärt Nea Berglund. Ihr Wein zeigt ein klare Frucht, steinig-salzige Noten, belebendes Säure-Tanninspiel und viel Eigenständigkeit. Passt gut zu würzigen Fleischgerichten. Um 32 Euro ab Weingut www.carsin.com

Nea Berglund, Winzerin Chateau Carsin
Weinreben auf Château Le Lau

Großer Schatz

2019 Château Le Lau, Perle Noire, Graves de Vayres rouge

Vor knapp zehn Jahren gab Sylvie Plomby ihr aufstrebendes kleines Modelabel auf, um das Weingut ihrer Familie nahe der Dordogne zu übernehmen. Sie macht so einiges anders als ihre Vorfahren, setzt auf biologische Bewirtschaftung und die Pflege eines Schatzes: 50 Jahre alte Merlot-Rebstöcke. Der Wein von ihnen zeigt zugleich Dichte, Fülle, Eleganz und Länge – wie ein großes Abendkleid. Um 19,90 Euro bei www.koelner-weinkeller.de

Stolz und glücklich

2019 Chateau La Freynelle Cabernet Sauvignon, Bordeaux

Chateau La Freynelle liegt im Herzen des Entre-deux-mers, dem weiten hügeligen Land zwischen Garonne und Dordogne. Hier wird weit überwiegend Rotwein produziert, der jedoch nicht die Herkunftsbezeichnung Entre-deux-mers tragen darf. Die größte Rolle spielt Merlot, aber nicht bei Véronique Barthe. Die produziert sogar einen reinsortigen Cabernet Sauvignon und schreibt das auch n och aufs Etikett, was erst seit einiger Zeit zulässig ist. „Artisan vigneronne indépendante et heureuse“ („Handwerklich arbeitende, unabhängige und glückliche Winzerin“) ist auf der Flasche auch noch zu lesen. Der Wein lässt das spüren: würzig dazu mit Aromen von dunklen Beeren gleitet er balanciert und leichtfüßig über die Zunge. 9,95 Euro bei www.grands-vins-bordeaux.de

Winzerin Veronique Barthe von Chateau La Freynelle bei der Arbeit
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