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Bordeaux 2015: Gut oder groß – das ist die Frage

Das Spiel ist immer das gleiche: Die Châteaubesitzer schwärmen vom neuen Jahrgang. Journalisten und Händler stimmen ein in das Lied. So auch in 2015. Selbst renommierte Tester sprechen jetzt schon von einem „großen“ Jahrgang, einige sogar von einem „ganz großen“. Im Vergleich dazu sind die Äußerungen der Châteaubesitzer, die Andrew Black eingesammelt hat, bemerkenswert ehrlich, zumindest einige. Dass 2015 der beste Jahrgang seit 2010 ist, steht außer Frage. Aber ist er wirklich groß? Groß wie 2005, 2009 oder eben 2010? Die meisten sagen, er ist ein Jahrgang, der stilistisch für sich steht. Der fruchtig und attraktiv ist, aber nicht die Tanninstruktur anderer als „groß“ bezeichneter Jahrgänge besitzt.

Klimaverlauf alles andere als ideal

Und nicht alle Regionen Bordeaux’ profitierten gleichermaßen von den klimatischen Verhältnissen, die eigentlich alles andere als ideal waren: viel zu später Austrieb, viel zu trockener und heißer Juli, viele Rebstöcke unter Wasserstress. Erst ab August normalisierte sich die Lage. Die Merlot-lastigen Weine vom rechten Ufer gehören offenbar wieder zu den Gewinnern des Jahrgangs. Aber im Gegensatz zu den Vor-Jahrgängen scheint es auch an vielen Stellen des rechten Ufers großartige Cabernet Sauvignon-Qualitäten gegeben zu haben, auch wenn zu hören ist, dass die phenolische Reife mancher Trauben nicht hundertprozentig gewesen sei. Insgesamt überwiegen die positiven Kommentare. Doch für eine endgültige Einordnung des Jahrgangs ist es noch viel zu früh. Die Weine haben gerade erst die Malo hinter sich.

Lohnt sich die Subskription?

Kaufen oder nicht kaufen – das wird die Frage sein, wenn die Châteaux im Mai und Juni mit ihren Preisen rauskommen. Dass die 2015er teurer als die 2014er sein werden, sind sich alle Marktteilnehmer sicher. Die Frage ist nur: wie teuer? Und: Lohnt sich ein en primeur-Kauf? In den letzten Jahren hat er sich nicht gelohnt. Da waren viele Weine später billiger als in der Subskription. Vorsicht ist also geboten. Ein Kauf sind die 2015er aber allemal.

Fréderic Faye, Direktor Château Figeac (St. Emilion)


Frédéric Faye„Ich glaube, der 2015er ist anders als die 2009er. Die 2009er hatten New World Appeal. 2015 ist mehr von fruchtigen, blumigen Noten geprägt. Ich glaube, dass wir auf Figeac, ehrlich gesagt, einen großen Jahrgang im Keller haben. Er ist ebenso gut wie 2010, vielleicht sogar besser. Mehr Präzision, mehr ‚Sexiness’. Jetzt müssen wir abwarten, wie die Märkte reagieren. Im Moment registrieren wir ein großes Interesse von Seiten der Europäer, speziell der Engländer, Deutschen, Österreicher, und es gibt Anzeichen dafür, dass die Amerikaner nach Bordeaux zurückehren. Die Asiaten werden wahrscheinlich nicht en primeur kaufen.  Aber die Preise werden sicher anziehen.“

Alexandre Thienpoint, Besitzer Vieux Château Certan (Pomerol)


Alexandre Thienpoint„Einen großen Jahrgang haben wir, wenn alle Appellationen Weine auf dem höchsten Niveau geerntet haben. Nach meiner Meinung trifft das beim 2015er auf dem rechten Ufer zu. Dort ist 2015 ein großer Jahrgang, besonders in Pomerol. Vielleicht ist es noch zu früh, solche Urteile abzugeben. Aber ich bin zuversichtlich, dass wir aufgrund der exzellenten Balance der Weine einen Jahrgang mit großem Reifepotenzial im Keller haben. Es war schwer, Trauben für den Zweitwein zu finden. Wir sind überzeugt, dass wir auf Augenhöhe mit 2009 und 2010 sind. Dieselbe Feinheit, aber größere Dichte. Allerdings auch ähnlich hohe Alkoholgehalte, im Durchschnitt 14,6 Vol.%.“

Pierre-Olivier Clouet, Technischer Direktor Château Cheval Blanc (St. Emilion)


Pierre-Olivier Clouet
Pierre-Olivier Clouet

„Ich glaube nicht, dass 2015 so gut wie 2010 ist, erst recht nicht wie 1982 und 1961. Aber es ist definitiv ein sehr guter Jahrgang. Cheval Blanc bringt zum ersten Mal seit 1988 keinen Zweitwein auf den Markt, so homogen gut war das Lesegut. Der Reichtum des 2015ers basiert auf seiner Struktur, also dem Tannin und der Dichte, das seidig und elegant und dicht gewoben ist, dichter als beim 2009er zum Beispiel, der fleischiger und süßer ist.“

 

Pauline Vauthier, Direktorin Château Ausone (St. Emilion)


Pauline Vauthier
Pauline Vauthier

„Wir haben gerade erst den 2015er gegen den 2013er und 2014er probiert und sind sicher, dass der 2015er sie überragt. Viel Fleisch und eine großartige Frucht. Glatt eine Stufe höher qualitativ. Ob man ihn als groß bezeichnen kann? Groß war für mich der 2010er. Der 2015er spielt nicht ganz in der gleichen Liga, zumindest nicht, was die Power angeht. Im Vergleich zum 2009er besitzt er aber mehr Finesse. Wir werden soviel Grand Vin abfüllen wie noch nie in der Geschichte von Ausone. Viele Partien, die traditionell in unseren Zweitwein La Chapelle gehen, sind diesmal gut für den Erstwein. Aber es gibt noch einen anderen Grund. Seit wir Teile unseres Weinbergs mit 12.000 Pflanzen pro Hektar bestockt haben, sind wir in der Lage, die Erträge etwas hochzufahren, ohne die Qualität zu mindern. Statt 30 Hektolitern ernten wir jetzt 35 Hektoliter. Deshalb können wir vom Jahrgang 2015 erstmals 21.000 Flaschen füllen.“

Mickaël Obert, Chef de Culture von Château Gazin (Pomerol)


Mickaël Obert
Mickaël Obert

„Der 2015er ist definitiv besser als der 2014er, aber als einen der besten würde ich ihn nicht bezeichnen. Der Wachstumszyklus der Reben war einfach nicht homogen genug. Exzessive Hitze und Wasserstress im Juli haben den Reben zugesetzt. September und Oktober waren dann gut für die Merlot, auch für Cabernet franc. Der Cabernet Sauvignon dagegen war am Ende nicht so perfekt, wir nehmen ihn nicht in den Grand Vin hinein. Der Alkoholgehalt ist natürlich hoch. Er liegt bei durchschnittlich 14,5 Vol.%. Trotzdem ist der Wein frisch und wirkt nicht scher. Er ist langlebig, wird aber auch jung ein Vergnügen sein.“

 

François Despagne, Besitzer Château Grand Corbin-Despagne (St. Emilion)


François Despagne
François Despagne

„Nach meiner Einschätzung wurden 2015 in Bordeaux gute bis sehr gute Weine produziert. Aber groß? Ich schätze den Jahrgang 2015 höher ein als 2009, aber nicht so gut wie 2005. In einigen Gegenden gab es ein wenig zu viel Niederschläge, in anderen gerade die richtige Menge. Die Merlot-Erzeuger am rechten Ufer haben am meisten profitiert von den Klimaverhältnissen. Unsere Merlot-Trauben waren perfekt reif, und der Cabernet franc hat auch 14,5 Vol.%. Ich bin überzeugt, dass wir deshalb so gute Trauben hatten, weil wir organisch arbeiten, also keine Anti-Botrytis-Mittel gespritzt haben. Ich habe alle klassifizierten Gewächse blind verkostet und muss sagen, es gibt in 2015 weder magere noch überextrahierte Weine. Alle zeigen eine saubere, schöne Frucht und schmecken fast süß am Gaumen. Vor allem sind sie frischer als in 2009. Sie weisen andererseits aber nicht die Tanninstruktur auf wie die 2010er.“

Anabelle Cruse Bardinet, Besitzerin Château Corbin (St. Emilion)


Anabelle Cruse Bardinet
Anabelle Cruse Bardinet

„2015 ist nicht so reich und mächtig wie 2010. Trotzdem würde ich 2015 als einen großen Jahrgang bezeichnen. Mich beeindrucken die Qualität des Tannins und die Länge der Weine. Außerdem sind sie geschmacklich attraktiv. Wegen der hohen Alkoholgehalte mache ich mir keine Sorgen. Er überschreitet bei meinem Wein nicht die 14,5 Vol.%-Marke. Die hatte er schon vor der Normallese erreicht. Wenn ich mich entscheide, die Trauben noch etwas länger hängen zu lassen, wie das in 2015 der Fall war, hat das keinen großen Einfluss mehr auf die Zuckergehalte.“


 

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Autor

Jens Priewe
Jens Priewe
Jens Priewe hat viele Jahre als Politik- und Wirtschaftsjournalist gearbeitet, bevor er auf das Thema Wein umsattelte. Er schreibt Kolumnen für den Feinschmecker und für das schweizerische Weinmagazin Merum. Für den Weinkenner, dessen Gesellschafter er ist, hat er seit der Gründung über 200 Artikel beigesteuert. Außerdem ist er Verfasser mehrerer erfolgreicher Weinbücher (u. a. „Wein – die grosse Schule“, „Grundkurs Wein“). Er stammt aus Schleswig-Holstein, lebt aber seit fast 40 Jahren in München.

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