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Bordeaux 2014: Was das rechte Ufer zum neuen Jahrgang sagt

Der Jahrgang 2014 birgt Überraschungen. Mit jeder neuen Phase seiner Entwicklung werden die Weine besser. Anfänglich hieß es, sie seien streng, dann fehlte es ihnen an Körper und an Balance, schließlich hieß es, sie hätten nur eine kurze, bestenfalls eine mittlere Lebenserwartung. Alle diese Prognosen kann man heute beiseite wischen.

Okay, 2014 ist kein großer Bordeaux-Jahrgang. Aber das hatte auch niemand erwartet. Dennoch setzt sich zunehmend die Auffassung durch, dass 2014 Weine hervorgebracht hat, wie moderne Bordeaux sein sollen: frisch, ausbalanciert, zugänglich, aber gleichzeitig gut strukturiert, fein und lang, mit einem guten Alterungspotenzial ausgestattet. Star des Jahrgangs ist zweifellos der Cabernet Sauvignon des linken Ufers. Aber auch der Cabernet franc vom rechten Ufer ist von guter Qualität und hat mit Unterstützung der Merlot ausgezeichnete Weine gegeben.

Pierre Lurton | © Gerard UferasPierre Lurton, 59, Direktor von Château Cheval Blanc und Château d’Yquem, zugleich Mitbesitzer von mehr als einem Dutzend Weingütern in Bordeaux und in Spanien.

…über den Jahrgang 2014: „2014 ist klar besser als 2013. Das werden die Kritiker schnell merken. Ein großer Jahrgang aber wird es wohl nicht.“

…über die Qualität der Merlot: „Die Merlot braucht in der Reifephase Wasserstress. Den hatten wir in 2014 nicht. Das führte dazu, dass die Trauben zu viel Wasser aufnahmen. Durch das am Ende heiße, trockene Wetter und unsere leicht erwärmbaren Kiesböden auf Cheval Blanc konnten wir diesen Nachteil in letzter Minute noch ausgleichen…Wir werden auf Cheval Blanc den Merlot-Anteil im 2014er Wein etwas geringer halten.“

…über die Qualität des Cabernet franc: „In dem heißen, trockenen Wetter im September und Oktober konnte die Cabernet franc langsam und sicher ausreifen, so dass wir Parzelle für Parzelle zum Idealzeitpunkt lesen konnten.“

Pauline VauthierPauline Vauthier, 30, ist eines der vier Geschwister von Alain Vauthier, dem Besitzer von Château Ausone in St. Emilion, und die einzige, die auf Ausone arbeitet. Sie leitet das Château zusammen mit ihrem Vater.

…über den Jahrgang 2014: „Es ist keiner der ganz großen Jahrgänge, aber ein sehr guter. Die Alkoholwerte liegen bei 14 Vol.%, die ph-Werte bei 3,53. Der Typ von Jahrgang, den wir in Bordeaux lieben.“

…über das Alterungsvermögen: „Er besitzt mehr Entwicklungspotenzial, als ich ursprünglich dachte.“

…über Vergleiche mit anderen Jahrgängen: „Obwohl ich ungern vergleiche, erinnert mich der 2014er an den 2012er: fruchtig, mit weichen Tanninen, easy zu trinken.“

…über den endgültigen Blend: „Wir auf Ausone werden diesmal den Cabernet franc-Anteil auf 60 Prozent erhöhen. Das heißt: Nur 40 Prozent Merlot.

…über die Mengen: „Aufgrund des heißen Wetters im September sind die Beeren teilweise geschrumpelt. Dadurch haben wir 15 bis 20 Prozent an Menge verloren. Der Hektarertrag hat sich dadurch auf 27 Hektoliter verringert.“

Alexandre ThienpontAlexandre Thienpont, 59, Direktor und Mitbesitzer von Vieux Château Certan in Pomerol.

…über den Jahrgang 2014: „Der 2014er ist das juste Gegenteil dessen, was man in einem heißen Jahrgang bekommt. Einer jener Jahrgänge, der nur in Bordeaux erfolgreiche Weine hervorbringen kann. Wir erwarteten aufgrund der Reifeverzögerung zunächst grüne Aromen. Doch der Wein ist reif. Nicht grün. Ein heißer Jahrgang hätte sicher üppigere, konzentriertere Weine hervorgebracht, aber die können auch ermüdend sein. 2014 ist für mich ein typischer Bordeaux im besten Sinne.“

…über die önologischen Besonderheiten des Jahrgangs: „Was mich überrascht hat, ist der hohe Weinsteinanteil, der im Fass ausgefällt wurde. Das ist ein Indiz für die hohe Säure des Weins, die nun etwas milder ausfallen wird.“

…über Vergleiche mit anderen Jahrgängen: „Qualitativ liegt der 2014er über dem 2008er.“

…über das Wetter: „Das Problem war diesmal der kühle, nasse August mit einer Véraison, die sich lange hinzog. Dadurch gingen die Trauben nicht homogen in die Reifephase. Ende August setzte dann das gute Wetter ein. Es war trocken und warm, teilweise auch heiß, und es hielt bis in den Oktober hinein. Wir hatten einen herrlichen Indian Summer und konnten die Lese ganz in Ruhe abwarten.“

Frédéric FayeFrédéric Faye, Direktor von Château Figeac in St. Emilion.

…über die Trauben: „Die Cabernet franc hat eine super Tanninstruktur, vergleichbar mit 2010. Der Cabernet Sauvignon ist so gut wie in 2005. Die Merlot war dagegen nicht ganz so eindrucksvoll, eher auf dem Niveau von 2008 und 2004.

…über die önologischen Besonderheiten des Jahrgangs: „Die aromatische Frucht und das feinkörnige Tannin sind die herausragenden Tugenden des Jahrgangs 2014. Durch eine siebentägige Kaltmazeration haben wir die aromatische Intensität noch steigern können. Bei der Gärung haben wir nur am Beginn Pigeages und Pump Overs gemacht und dann für den Rest der Gärung nichts mehr. Dadurch haben wir besonders geschmeidige Tannine bekommen.“

…über Michel Rolland, der zum ersten Mal als Berater involviert war: „Wir stimmen mit Michel Rolland überein, dass wir einen seidigen, aber kräftigen Wein anstreben. Also haben wir in die Richtung gearbeitet, dass wir cremigere Texturen bekommen. Ich bin sicher, die Kritiker haben es bemerkt.“

Mickaël Obert
Mickaël Obert

Mickaël Obert, 35, Chef des Kellers und der Weinberge auf Château Gazin in Pomerol.

…über den Jahrgang 2014: „Ich würde ihn nicht groß nennen, aber ganz klar ein guter Jahrgang. Um ein altes Klischee zu benutzen: ein klassischer Bordeaux. Besser als 2006 und 2007, auch besser als 2012. Ungefähr auf dem Niveau von 1998. Vielleicht ist er auf dem linken Ufer besser, und auch St. Emilion hat wohl die Nase vorn gegenüber Pomerol.“

…über die Qualität des Cabernet franc: „Wir haben auf Gazin nur eine kleine Parzelle Cabernet franc, aber die Trauben sind ausgezeichnet. Wir werden sie in den endgültigen Blend hineinnehmen, so dass der 2014er diesmal aus 95 Merlot und 5 Prozent Cabernet franc bestehen wird.“

…über die önologischen Besonderheiten des Jahrgangs: „Bei den hohen Apfelsäure-Werten, wie wir sie in 2014 hatten, kann es passieren, dass der Wein nach der Malo flach wird. Das war in 2014 nicht der Fall. Die große Versuchung bestand darin, die Extraktion zu intensivieren, um mehr Tannin in den Wein zu bringen, was bei niedrigen Säurewerten sinnvoll sein kann. Ich habe der Versuchung aber widerstanden. Der Wein wäre unbalanciert gewesen. So haben wir in 2014 einen frischen Wein mit viel Frucht und seidigen Tanninen bekommen, keinen Blockbuster.“

François DespagneFrançois Despagne, 51, Direktor und Mitbesitzer des Château Grand Corbin-Despagne in St. Emilion.

…über den Jahrgang 2014: „Nachdem die Malo vorüber war, hat sich herausgestellt, dass 2014 ein guter bis sehr guter Jahrgang ist. Eleganz, wunderbar ausdrucksvolle Frucht, viel Mineralität – das sind die Eigenschaften, die die Weine dieses Jahrgangs auszeichnen.“

…über Vergleiche mit anderen Jahrgängen: „Ich erinnere den 2004er. Viele Leute beklagten sich während der en primeur-Verkostungen damals über die Strenge der Weine. Heute sind die 2004er superb. Und 2014 ist besser als 2004.“

…über die Qualität der Merlot: „Der Merlot war in 2014 eine kleine Enttäuschung. Trotzdem möchte ich sagen, dass, wer Merlot nach der Véraison ausgedünnt hat, sehr gute Qualitäten bekommen konnte. Der heiße September hat es möglich gemacht. Wir haben unsere Hausaufgaben getan und danach einfach nur die Finger gekreuzt…“

…über die Zusammensetzung des Blends: „Der Star des Jahrgangs ist am rechten Ufer natürlich der Cabernet franc. Der wird mit 25 Prozent in den finalen Blend von Grand Corbin-Despagne eingehen.“

Peter SisseckPeter Sisseck, 54, aus Dänemark stammender Besitzer der Weingüter Dominio de Pingus in der spanischen Ribeira del Duero und mit Silvio Denz zusammen Besitzer von Châteu Rocheyron in St. Emilion.

…über den Jahrgang 2014: „Eine Zeitlang sah es nicht gut aus für den Jahrgang. Aber heute sage ich: Der 2014er erweist sich als sehr gut.“

…über die Qualität des Cabernet franc: „Während der Lese sah es so aus, als sei die Merlot besser als der Cabernet franc. Überraschenderweise ist der Cabernet franc heute sehr viel vielversprechender als vorher. Aber ich warte ab. Auch wenn er sehr gut sein sollte: Auf keinen Fall ist er so gut wie 2010, da war er auf Rocheyron grandios.“

…über die Qualität der Merlot: „Ich bin sehr glücklich über die gute Qualität der Merlot. Sie war nicht überreif, der Fruchtcharakter ist sehr präzise, das Aroma frisch. Aber ich möchte nicht noch einmal erleben, was ich 2014 speziell mit dieser Sorte durchmachen musste.“

…über den Vergleich mit dem 2014er Pingus: „Der Pingus dieses Jahrgangs ist spektakulär. Der beste seit 1995, als ich diesen Wein zum ersten Mal kelterte. Ich kann mein Urteil noch gar nicht in Worte fassen. Auf jeden Fall ist der Jahrgang 2014 in der Ribeira del Duero besser als in Bordeaux.

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Autor

Jens Priewe
Jens Priewe
Jens Priewe hat viele Jahre als Politik- und Wirtschaftsjournalist gearbeitet, bevor er auf das Thema Wein umsattelte. Er schreibt Kolumnen für den Feinschmecker und für das schweizerische Weinmagazin Merum. Für den Weinkenner, dessen Gesellschafter er ist, hat er seit der Gründung über 200 Artikel beigesteuert. Außerdem ist er Verfasser mehrerer erfolgreicher Weinbücher (u. a. „Wein – die grosse Schule“, „Grundkurs Wein“). Er stammt aus Schleswig-Holstein, lebt aber seit fast 40 Jahren in München.

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