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Bordeaux 2011: Preise niedriger als 2010, höher als 2008

Saint-Émilion | ©CIVB/Philippe Roy

Die Präsidentenwahl in Frankreich ist vorbei, die Unsicherheit geblieben. Fast einen Monat lang haben die Châteaux gezögert, um mit ihren Preisen für den Jahrgang 2011 herauszukommen – zu lange, sagen viele Londoner Weinhändler. Ist der Jahrgang schon kein „Must“ für Bordeauxtrinker, so hat das lange Warten sie zusätzlich müde gemacht. Angekündigt war eine kurze, schnelle Kampagne. Am Ende verharrten die Châteaux in einer quälend langen Warteschleife.

Lafite kam als erster aus der Deckung

Lafite war schon am 16. April als erster Premier Cru mutig aus der Deckung gekommen und hatte sein Angebot veröffentlicht: 360 Euro pro Flasche. Das entspricht einem Abschlag gegenüber dem Primeur-Preis des Jahrgangs 2010 um rund 45 Prozent. Die anderen Premiers zögerten die Veröffentlichung ihrer Preise Woche um Woche heraus. Auch die Super Seconds, Flying Fifths und die anderen klassifizierten Châteaux warteten ab, wie sich der Markt entwickelte.

„Jeder hoffte, dass ein anderer die Meute anführt“, beschreibt Jean-Michel Cazes von Lynch-Bages die Situation. „Am Ende waren die Leute des Wartens müde.“

Der Geldschneiderei überdrüssig

Die Leute – damit meinte er nicht nur die Bordeauxliebhaber, die die wenigen Offerten, die schon raus waren, nur äußerst zurückhaltend aufnahmen. Er meinte vor allem den Handel, der langsam resignierte. Das Zaudern der Châteaux leistete allerlei Spekulationen Vorschub, die sich in zahllosen Beiträgen in Fachzeitschriften und in Blogs niederschlugen und deutlich machten, dass der Handel der alljährlich wiederkehrenden Geldschneiderei überdrüssig ist. Ludovic Paternotte, der für die Weineinkäufe der französischen Casino-Gruppe zuständig ist (zu der die Supermarktketten Monoprix und Géant gehören) und bisher die Hälfte des Umsatzes mit Bordeaux machte, ließ sich mit dem Satz zitieren: „Es gibt mittlerweile bessere Werte im Languedoc und an der Rhône.“

Vor allem setzte sich im Weinhandel langsam, aber sicher die Auffassung durch, dass die 2011er Weine nicht teurer sein dürfen als die des Jahrgangs 2008, der schon physisch auf dem Markt ist. Viele Kritiker, aber auch viele Châteaubesitzer hatten erklärt, dass sie den 2011er qualitativ auf dem Niveau des 2008er Jahrgangs sehen.

Cos d’Estournel „nicht verkäuflich“

Die Erwartungen waren also hoch gesteckt, was die Preisabschläge angeht. Und mit jedem Tag wuchs die Angst der Händler, dass die Châteaux den Ernst der Lage nicht erkennen würden. Als Cos d’Estournel Anfang Mai mit 100 Euro ex négoçiant auf den Markt kam, war das Entsetzen groß. Der Preisabschlag betrug zwar 45 Prozent. Aber der 2008er Cos wird derzeit zu rund 100 Euro für Endverbraucher gehandelt – also wesentlich niedriger.  „Nicht verkäuflich“, kommentierte der Londoner Handel die Preisveröffentlichung. Ähnliche Reaktionen bei Beychevelle und Palmer, deren Primeur-Preise ebenfalls deutlich über dem des 2008ers liegen.

Der erste Lichtblick war dann Pontet Canet. Der shooting star vom linken Ufer, dessen Wein nach den Urteilen vieler Kritiker inzwischen auf dem Niveau der Premiers Crus liegt, brachte am 8. Mai eine erste Tranche für 66 Euro auf den Markt. „Warum soll ich 360 Euro für einen Lafite ausgeben, wenn ich für 66 Euro einen Pontet Canet bekomme?“, fragte Simon Davis von Fine & Rare in London. „Bei diesem Preis mache ich mir keinen großen Kopf.“

Nur sporadisches Kaufinteresse

Am Montag dieser Woche rückten dann Haut-Brion und Margaux mit ihren Preisen heraus: je 360 Euro wie Lafite. Damit liegen die beiden Weine preislich zwar über den entsprechenden 2008ern, aber nur geringfügig. Ein „sporadisches Kaufinteresse“ sei immerhin vorhanden, heißt es aus London.

Am Dienstag veröffentlichten dann gleich 40 Châteaux ihre Preise – die meisten zwischen 30 und 45 Prozent unter denen des Vorjahres. Am stärksten verbilligte sich der Wein von La Mission Haut-Brion, einer der top scorer des Jahrgangs. Doch dieser Wein war 2010 auch am höchsten im Preis gestiegen. Mit 216 Euro liegt er jetzt deutlich unter den Premiers – ein weiterer Lichtblick.

Obwohl deutlich ermäßigt, ist fraglich, ob der Markt die Preise akzeptiert. Trotz wärmster Empfehlungen durch die Händler und pathetischer Umschreibungen der Qualität verläuft der Verkauf bislang zäh. Der chinesische Markt hat sich merklich abgekühlt, und in Europa spitzt sich die Griechenland-Krise wieder zu. „Wir leben derzeit in einer Atmosphäre der Angst“, analysiert Jean-Michel Cazes. „Welchen Grund gibt es jetzt Wein zu kaufen?“

Die Frage müsste korrekt lauten: Welchen Grund gibt es Bordeaux zu kaufen?

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