Die Präsidentenwahl in Frankreich ist vorbei, die Unsicherheit geblieben. Fast einen Monat lang haben die Châteaux gezögert, um mit ihren Preisen für den Jahrgang 2011 herauszukommen – zu lange, sagen viele Londoner Weinhändler. Ist der Jahrgang schon kein „Must“ für Bordeauxtrinker, so hat das lange Warten sie zusätzlich müde gemacht. Angekündigt war eine kurze, schnelle Kampagne. Am Ende verharrten die Châteaux in einer quälend langen Warteschleife.
Lafite kam als erster aus der Deckung
„Jeder hoffte, dass ein anderer die Meute anführt“, beschreibt Jean-Michel Cazes von Lynch-Bages die Situation. „Am Ende waren die Leute des Wartens müde.“
Der Geldschneiderei überdrüssig
Vor allem setzte sich im Weinhandel langsam, aber sicher die Auffassung durch, dass die 2011er Weine nicht teurer sein dürfen als die des Jahrgangs 2008, der schon physisch auf dem Markt ist. Viele Kritiker, aber auch viele Châteaubesitzer hatten erklärt, dass sie den 2011er qualitativ auf dem Niveau des 2008er Jahrgangs sehen.
Cos d’Estournel „nicht verkäuflich“
Der erste Lichtblick war dann Pontet Canet. Der shooting star vom linken Ufer, dessen Wein nach den Urteilen vieler Kritiker inzwischen auf dem Niveau der Premiers Crus liegt, brachte am 8. Mai eine erste Tranche für 66 Euro auf den Markt. „Warum soll ich 360 Euro für einen Lafite ausgeben, wenn ich für 66 Euro einen Pontet Canet bekomme?“, fragte Simon Davis von Fine & Rare in London. „Bei diesem Preis mache ich mir keinen großen Kopf.“
Nur sporadisches Kaufinteresse
Am Montag dieser Woche rückten dann Haut-Brion und Margaux mit ihren Preisen heraus: je 360 Euro wie Lafite. Damit liegen die beiden Weine preislich zwar über den entsprechenden 2008ern, aber nur geringfügig. Ein „sporadisches Kaufinteresse“ sei immerhin vorhanden, heißt es aus London.
Obwohl deutlich ermäßigt, ist fraglich, ob der Markt die Preise akzeptiert. Trotz wärmster Empfehlungen durch die Händler und pathetischer Umschreibungen der Qualität verläuft der Verkauf bislang zäh. Der chinesische Markt hat sich merklich abgekühlt, und in Europa spitzt sich die Griechenland-Krise wieder zu. „Wir leben derzeit in einer Atmosphäre der Angst“, analysiert Jean-Michel Cazes. „Welchen Grund gibt es jetzt Wein zu kaufen?“
Die Frage müsste korrekt lauten: Welchen Grund gibt es Bordeaux zu kaufen?