„These wines will make wonderful bin ends“ – so pflegen englische Händler über einen Bordeaux-Jahrgang zu urteilen, den sie für preislich falsch positioniert halten. Auf gut Deutsch: Es gibt keinerlei Grund für einen Subskriptionskauf. Man kann in aller Ruhe warten, bis die Weine im Laufe der Jahre als Sonderangebote auf den Markt zurückkommen.
So war es schon mit den in Subskription überteuerten 1997ern. Und man muss kein Hellseher sein, um auch Jahrgängen wie 2007 und 2011 ein ähnliches Schicksal zu prophezeien. Viele Châteaux waren nach dem preislichen und qualitativen Höhenflug der Jahrgänge 2009 und 2010 in einen Rausch verfallen, der sie die Bodenhaftung verlieren ließ.
Die Primeurkampagne für den 2011er war ein Totalflop
Statt aufs Preisniveau der 2008er zurückzukehren, ermäßigten sie die Preise für die bescheidenen 2011er nur um ein paar Prozent gegenüber den Preisen der großen 2010er. Diese aber waren in der Regel 30 bis 50 Prozent teurer als die 2008er.
Dementsprechend schwach liefen die 2011er während der Primeurkampagne. Die asiatischen Käufer, die noch ein Jahr vorher jeden aufgerufenen Preis akzeptiert hatten, hielten sich plötzlich vornehm zurück. Inzwischen haben die 2011er ein zusätzliches Problem bekommen: den Nachfolgerjahrgang 2012. Denn zumindest am rechten Ufer Bordeaux, also in Saint-Émilion und Pomerol, sind die 2012er meist besser als der Jahrgangsvorgänger – und billiger.
Kurioser Klimaverlauf
Bordeaux 2011: Keine LagerweineQualitativ ist 2011 ein mittleres, teilweise auch gutes, auf leidenschaftslos geführten Betrieben allerdings ein schwaches Jahr. Der Klimaverlauf war kurios, sodass der Jahrgang die Winzer vor völlig neue Herausforderungen stellte. Das Frühjahr war sommerlich heiß. Im Juni gab es lokale Hagelschläge (vor allem in Margaux). Der Sommer brachte dann Aprilwetter und Mehltau-Infektionen. Im Herbst sorgte schwül-feuchte Witterung dafür, dass Fäulnis um sich griff. Resultat: mittelgewichtige Weine, denen es am letzten Quäntchen Frische und Präzision fehlt.
Ich habe die Fassmuster des 2011er Jahrgangs in diesem Frühjahr nachverkostet. Es zeigte sich, dass die Weine während des Ausbaus gewonnen haben. Kleinere Unreife-Töne in Frucht und Gerbstoff sind dabei, sich zu mildern – man wird die meisten 2011er nach einer mittleren Reifedauer von vier bis acht Jahren mit Vergnügen trinken können. Lagerweine sind sie aber nicht.
So schwierig die roten, so gut sind edelsüßen Weine
Wenn Sie mehr über 2011 wissen wollen: In meinem Weinbrief weinverstand.de finden Sie eine Übersicht über die Klimabedingungen des Jahrgangs 2011 und die fünf Stiltypen, die er hervorgebracht hat (mit einer Zuordnung der entsprechenden Châteaux). Eine Gratis-Leseprobe erhalten Sie hier.
Für die süßen Vins liquoreux aus Sauternes und Barsac war der feucht-warme Jahrgang ein Segen: Er brachte den Winzern von Barsac bis Sauternes Wellen von feiner, wahrhaft edler Botrytis. Die edelsüßen Weine sind in 2011 die einzigen, zu deren Kauf man ohne jede Vorbehalte raten kann. Beim Preis sind diese Weine übrigens auf dem Boden geblieben – trotz ihrer hervorragenden Qualität. Sie versprechen über Jahre hinweg einen stilvollen Genuss.
Eine weitere Leseprobe mit den Bewertungen der Sauternes- und Barsac-Weine finden Sie hier.
Interessanterweise startet LIDL diese Tage eine große BDX Offensieve u.a. mit einen ganz passablen Chateaus, allerdings dem 2011er Jahrgang (zurückgekommenen wie Sie es bezeichnen) die mit reichlich Bampfield points dekoriert werden. Für die breite LIDL Klientel wohl erstmals eine intensive Berührung mit Bordeaux 🙂 … „wenn das mal gut geht “ cheers