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Bordeaux 2010: Parker hat gesprochen – und sorgt für Überraschung

Der amerikanische Großkritiker Robert Parker folgt weitgehend dem begeisterten Tonfall, den bereits vor Beginn der Primeur-Woche James Suckling und James Molesworth (Wine Spectator) vorgegeben hatten (weinkenner.de berichtete). Während Suckling acht Hunderter-Weine (oder zumindest Hunderter-Kandidaten) benannt hat, sieht Parker sogar zehn Weine als Kandidaten für die Höchstwertung an – wenn auch mit einer weiteren Streuung seiner Punktbewertung.


>> die komplette Liste der Parker-Bewertungen als PDF-Download


Hier Parkers Top-Weine des Jahrgangs 2010:

98-100 Punkte

Chateau Ausone
Chateau Haut Brion
Chateau Lafite Rothschild
Chateau Latour
Chateau La Mission Haut Brion
Pétrus

97-100 Punkte

Chateau Mouton Rothschild

97-99 Punkte

Chateau Pichon Longueville Baron (+)

96-100 Punkte

Chateau Beauséjour (Duffau) (+)
Chateau L’Eglise Clinet
Chateau Pontet Canet

96-99 Punkte

Chateau Montrose (+)

96-98 Punkte

Chateau Branon
Chateau Cheval Blanc (+)
Chateau Ducru-Beaucaillou (+)
Chateau L’Evangile
Chateau Margaux
La Mondotte (+)
Chateau Pavie-Maquin (+)
Le Pin
Chateau Troplong-Mondot (+)
Vieux Chateau Certan

Parker ernennt die Premiers Crus Classés fast alle zu 100-Punkte-Kandidaten, mit zwei Ausnahmen: Château Margaux und Château Cheval blanc. Eine Überraschung ist Parkers Adelsschlag für Château Beauséjour (Duffau-Lagarosse). Das hervorragend gelegene Gut aus St-Émilion wird seit 2009 von Stéphane Derenoncourt und Nicolas Thienpont (Pavie Macquin) betreut – zwei Weinmachern, die eher auf Eleganz und Finesse vinifizieren, also einem Stil, welcher der landläufigen Meinung nach eher nicht zu Parker passt. Dass Parker den in der Tat hervorragend gelungenen 2010er gleich zum 100-Punkte-Anwärter macht, damit hat wohl niemand gerechnet.

Auch konnte man kaum davon ausgehen, dass der Pauillac Château Pontet Canet zum zweiten Mal (seit 2009) an den hundert Punkten kratzt. Hier könnte es nicht zuletzt ein Begleitumstand sein, der Parker zu Applaus motiviert hat: Château Pontet Canet hat 2010 den ersten Jahrgang aus biodynamisch zertifiziertem Anbau gekeltert. Das 5ième Cru Classé in direkter Nachbarschaft zu Mouton Rothschild gilt schon seit 2005 als Vorzeige-Projekt für biodynamischen Weinbau in Bordeaux.

Einen spekulativen Blick dürften manche Subskriptions-Käufer auch auf die Note von Château Montrose werfen: 96-99+ Punkte bekam der 2ième Cru Classé aus St-Estèphe. Wenn bei 99 Punkten noch ein “plus” drin ist, kann das letztlich nur heißen, dass auch hier auf die spätere Erteilung der Höchstnote spekuliert werden darf.

Ansonsten ist Parkers Liste weitgehend frei von Überraschungen. Dass er High-Tech- und Blockbuster-Weine wie Angelus (94-96+), Leovillé Poyferré (95-98) oder Valandraud (94-96+) höher bewertet als traditionell geführte Châteaux wie Léoville Barton (91-93+), Calon Ségur (92-94+) oder Latour-à-Pomerol (92-94), ist nicht wirklich neu.

Insgesamt dürften die Erzeuger des Bordelais aber mit Parkers Bewertungen zufrieden sein. Dass das “Orakel aus Maryland” den Jahrgang der hohen Säurewerte wegen weniger hoch bewerten könnte, hat sich als Irrtum herausgestellt. Dem ersten Überblick zufolge dürften die Noten im Schnitt nur unwesentlich tiefer liegen als beim Vorgängerjahrgang 2009.

Nun warten Bordeaux-Sammler und Weinhändler in aller Welt gebannt auf den eigentlich längst fälligen Startschuss zur Subskriptions-Kampagne. Merkwürdig nur, dass trotz Parkers Verdikt bislang noch keine einzige neue Offerte auf den Markt gekommen ist. Offenbar suchen die Châteaux nach wie vor noch nach der richtigen Strategie, um den Markt an weitere Preisaufschläge heranzuführen.

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Autor

Jens Priewe
Jens Priewe
Jens Priewe hat viele Jahre als Politik- und Wirtschaftsjournalist gearbeitet, bevor er auf das Thema Wein umsattelte. Er schreibt Kolumnen für den Feinschmecker und für das schweizerische Weinmagazin Merum. Für den Weinkenner, dessen Gesellschafter er ist, hat er seit der Gründung über 200 Artikel beigesteuert. Außerdem ist er Verfasser mehrerer erfolgreicher Weinbücher (u. a. „Wein – die grosse Schule“, „Grundkurs Wein“). Er stammt aus Schleswig-Holstein, lebt aber seit fast 40 Jahren in München.

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