Bordeaux 2010 nachverkostet: letzte Chance zum Kauf!

Die 2010er Bordeaux sind jetzt im Verkauf.
Die 2010er Bordeaux sind jetzt im Verkauf.
Die 2010er Bordeaux sind jetzt im Verkauf. Jahrhundertweine? Ulrich Sautter hat sie noch einmal nachverkostet. Sein Fazit: Die Weine sind atypisch – atypisch teuer, aber auch atypisch gut.

 

2010 war das Jahr, in dem der islän­di­sche Vul­kan mit dem unaus­sprech­li­chen Namen aus­brach. Im April jenes Jah­res lag sei­net­we­gen der Flug­ver­kehr in wei­ten Tei­len Euro­pas lahm. Die Win­zer ora­kel­ten, dass auch ihnen die Asche­wol­ke Scha­den brin­gen kön­ne. Tat­säch­lich erwies sich der Som­mer dann als kühl und beson­ders arm an Sonnenschein.

Ob der Eyja­f­jal­la­jö­kull (so hieß der Vul­kan) auch den Bordeaux-Jahrgang beein­flusst hat, dar­über kann man nur spe­ku­lie­ren. Fakt ist, dass im Jahr 2010 Klima-Bedingungen herrsch­ten, die die Win­zer in die­ser Kom­bi­na­ti­on noch nie erlebt hatten.

Der September hat den Jahrgang gerettet

Nor­ma­ler­wei­se sind in Bor­deaux die beson­ders tro­cke­nen Jah­re auch beson­ders heiß. In 2010 jedoch war es umge­kehrt: Der Hoch­som­mer war dies­mal extrem tro­cken, aber auch sehr kühl. Dass die Trau­ben den­noch reif wur­den, lag an drei Umstän­den: Zual­ler­erst an den bereits von der Blü­te weg ange­leg­ten nied­ri­gen Erträ­gen. Dann – kaum weni­ger wich­tig – am Aus­dün­nen der Win­zer. Zuletzt ret­te­te auch der über­aus glück­li­che Ver­lauf des Herbs­tes den Jahr­gang. Denn im Sep­tem­ber gab es genau im rich­ti­gen Moment eini­ge Regen­schau­er: gera­de genug Was­ser, um den von der Tro­cken­heit blo­ckier­ten Stoff­wech­sel der Reben wie­der in Gang zu set­zen (eine genaue Beschrei­bung der kli­ma­ti­schen Bedin­gun­gen fin­den Sie in Ulrich Saut­ters Weinverstand-Brief).

Von allem viel, besonders vom Akohol

Bordeaux-Wein im Glas | Foto: © CIVB
Bordeaux-Wein im Glas | Foto: © CIVB

Ange­sichts die­ser kom­ple­xen Bedin­gun­gen kann es nicht erstau­nen, dass 2010 kein sehr gleich­mä­ßi­ger Jahr­gang gewor­den ist. Win­zer, die intel­li­gent auf das Wet­ter reagier­ten, konn­ten deut­lich bes­se­re Ergeb­nis­se erzie­len als sol­che, die nach Sche­ma F arbei­te­ten. Auch bei der Kel­te­rung war viel Fein­ge­fühl von­nö­ten: Die Tro­cken­heit hat­te in den Bee­ren alle Inhalts­stof­fe stark kon­zen­triert. So haben auch die Wei­ne viel von allem: viel Säu­re, viel Gerb­stoff und vor allem viel Alkohol.

Manch­mal zu viel! Nicht auf allen Châ­teaux hat­te man das ter­ro­ir (und das Händ­chen), den Hang der Wei­ne zur Mäch­tig­keit zu brem­sen. Etwa ein Drit­tel der 2010er Wei­ne ist groß, ein Drit­tel so lala, ein Drit­tel unhar­mo­nisch. Man­che Wei­ne wir­ken auch jetzt nach der Fla­schen­fül­lung alko­hol­be­tont und gleich­zei­tig spitz. Ob sich die­se Wei­ne auf der Fla­sche har­mo­ni­sie­ren, bleibt abzuwarten.

Wo es indes gelun­gen ist, alle Kom­po­nen­ten mit­ein­an­der ins Gleich­ge­wicht zu brin­gen, da sind Wei­ne ent­stan­den, die in ihrer feis­ten Art zwar aty­pisch wir­ken, die jedoch ohne jede Fra­ge Grö­ße besit­zen. Ihr ein­zi­ger Makel ist der Preis: Sie sind teuer.

Derzeit machen die 2010er keine Freude

Barrique-Fässer | Foto: © CIVB
Barrique-Fässer | Foto: © CIVB

Den­noch wird kein Bordeaux-Liebhaber auf den 2010er ver­zich­ten wol­len. Denn der Jahr­gang könn­te der­einst durch­aus in einer Rei­he mit den gro­ßen Jah­ren 1990, 1982, 1961, 1947 ste­hen. Es gilt jedoch, selek­tiv zu sein – und in sei­ne Kauf­ent­schei­dun­gen vor allem fol­gen­de Über­le­gung ein­zu­be­zie­hen: Die 2010er wer­den über­durch­schnitt­lich lan­ge Zeit benö­ti­gen, bis sie ihre Trink­rei­fe errei­chen. Selbst bei den gelun­ge­nen Wei­nen aus der Klas­se der Crus bour­geois soll­te man mit fünf bis acht Jah­ren Rei­fe­zeit rech­nen, bei den Spit­zen­wei­nen deut­lich län­ger. Anders als die schmelzi­gen (und eben­falls gro­ßen) 2009er wer­den die 2010er in ihrer Jugend eher kei­ne Freu­de machen.

Zu den Prei­sen ist zu sagen, dass die Notie­run­gen der 2010er zwar his­to­ri­sche Höchst­stän­de erreicht haben. Den­noch wer­den die­se Wei­ne wohl kaum jemals bil­li­ger wer­den. Vie­le Händ­ler haben die 2010er jetzt nach der phy­si­schen Aus­lie­fe­rung der abge­füll­ten Wei­ne noch für eini­ge Zeit zu ver­gleichs­wei­se mode­ra­ten Prei­sen im Ange­bot. In der Regel kos­ten sie jetzt rund 20 Pro­zent mehr als wäh­rend der Subskription.

Kaufen? Jetzt oder nie!

In weni­gen Mona­ten wer­den dann auch die­se Bestän­de aus­ver­kauft sein (oder der Händ­ler nimmt sie aus dem Ange­bot, um sie sei­nem län­ger­fris­ti­gen Lager­be­stand zuzu­fü­gen). Man kann dar­auf wet­ten: Wer jetzt nicht kauft, kauft spä­ter zu einem deut­lich höhe­ren Tarif.

Chateau Barreyre | Foto: © CIVB
Cha­teau Barrey­re | Foto: © CIVB

Man braucht aber auch gar nicht in die teu­ers­te Preis­klas­se grei­fen, um etwas von der Glo­rie des Jahr­gangs abzu­be­kom­men. Der Jahr­gang 2010 hat zum Bei­spiel zahl­rei­che her­vor­ra­gen­de Zweit­wei­ne her­vor­ge­bracht (das sind die­je­ni­gen Wei­ne, die bekann­te Güter aus dem Ertrag jun­ger Reben oder aus ihren Rand­la­gen kel­tern). Außer­dem gibt es in der Grup­pe der Crus bour­geois des Médoc wah­re Per­len, eben­so vom rech­ten Ufer, wenn man in Lalande-de-Pomerol, Fron­sac, Cas­til­lon, Bourg, Blaye sucht.

Für den Bordeaux-affi­ci­o­na­do führt jeden­falls an einem klei­nen Vor­rat 2010er kein Weg vor­bei: Die gelun­ge­nen Wei­ne sind eine Sen­sa­ti­on – und wer­den dies auch für die nächs­ten zwei, drei oder viel­leicht sogar fünf Jahr­zehn­te bleiben.

Für die kom­plet­te Über­sicht und Ulrich Saut­ters Bewer­tun­gen der Wei­ne des Jahr­gangs 2010 kli­cken Sie hier (kos­ten­pflich­tig).

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