Das Geheimnis dieses Weins ist zunächst einmal der Jahrgang: 2010 ist ein historischer Jahrgang. Er hat in vielen Teilen Spaniens große, langlebige Weine von natürlicher Harmonie hervorgebracht. Die meisten schlummern allerdings noch im Fass.
Der L’Heravi stammt aus dem katalanischen Anbaugebiet Montsant – der Nachbarregion des Priorato, die über ähnliche Böden (Schiefer, Granit, Kalk) und das gleiche Klima verfügt. Am Gaumen wirkt er ungemein saftig. In seiner milden, fruchtigen Art trinkt er sich unbeschwert weg und gibt einem zu keinem Zeitpunkt den Eindruck, dass man 14 Vol.% Alkohol im Glas hat.
Natürlich ist es ungewöhnlich, dass ein tanninbetonter Wein des Jahrgangs 2010 schon jetzt abgefüllt wird. Angesichts des Leseguts hätte dieser Tinto zweifellos auch für einen längeren Fassausbau getaugt. Doch der L’Heravi ist ganz und gar als vino joven angelegt – also auf pralle, jugendliche Frucht. Passenderweise ist er völlig ohne Holzeinfluss bereitet. Zurzeit zeigt er noch leicht gärige Noten (vor allem die seifig anmutenden Aromen, die sich zuweilen bei Spontangärungen bilden). Gegen sie hilft ein etwa halbstündiges Dekantieren. Spätestens bis zum Sommer wird sich aber die Frucht durchgesetzt haben mit Aromen von Kirsche und Schokolade.
Der zweite Grund für die außerordentliche Exquise dieses Weins sind die alten Reben. Die Bodega Vinyes d’en Gabriel füllt ihren Wein zwar erst seit 2004 in Flaschen. Doch die Weinberge sind teilweise über 80 Jahre alt. Die Reben haben im Laufe der Jahrzehnte lange Wurzeln gebildet, so dass sie irgendwo in der Tiefe der Erde auch während der Trockenperioden des Sommers Feuchtigkeit finden. Viele Trauben hängen im Herbst allerdings nicht an den Rebstöcken. Und Josep Maria Anguera, der junge Weinmacher, der die Weinberge von seinem Großvater geerbt hat, treibt die Reben nicht zu Höchstleistungen an. Er düngt nicht, sondern gibt dem Boden nur jene Mineralstoffe zurück, die die Reben ihm entnommen haben.
Sicher, der L’Heravi ist kein Wein aus Trauben der ältesten Reben. Diese gehen in die Crianza und die Seleccio ein, Joseps beste Weine. Doch junge Reben gibt es bei Vinyes d’en Gabriel gar nicht. Die, aus denen der L’Heravi gemacht ist, stammen zu 60 Prozent aus 25-jährigen Reben der Sorte Garnacha und zu je 20 Prozent aus Cariñena (40 Jahre alt) und Syrah-Stöcken (18 Jahre alt). Die DO Montsant war nämlich lange Zeit so vergessen, dass Hunderte von Hektaren mit alten Reben erhalten geblieben sind. Mit diesem Pfund können die Winzer jetzt wuchern – zur Freude aller Weinliebhaber, die vollmundige, weiche Rotweine lieben, die um ein Vielfaches besser sind, als der Preis ahnen lässt.