Blaufränkisch ist Österreichs interessanteste Rotweinsorte – ohne Zweifel. Viele Sommeliers, Fachjournalisten, Händler und Konsumenten überschlagen sich vor Begeisterung darüber, dass ihr Land einen Rotwein hervorbringt, der die Herzen auch jener Rotweinliebhaber höher schlagen lässt, für die Rotwein nur Bordeaux, Toskana oder Kalifornien bedeutet. Doch beileibe nicht alles, was Österreich aus der Sorte Blaufränkisch keltert, ist so furchtbar interessant, wie es in der Presse gemacht wird. Das ist zumindest mein Eindruck aus zahlreichen Verkostungen der letzten fünf Jahre und nun wieder bei der Nachverkostung der 15 Blaufränkischen, die es bei der diesjährigen SALON-Verkostung ins Finale geschafft haben. Qualitativ war an keinem der Weine etwas auszusetzen. Aber gerade den besten fehlt häufig eine eigene Blaufränkisch-DNA. Sie ähneln eher Weinen, wie sie normalerweise aus Merlot, Cabernet Sauvignon, Syrah oder Zweigelt gewonnen werden.
Was die DNA des Blaufränkisch ausmacht
Dabei ist die Blaufränkisch eigentlich dafür prädestiniert, delikate Weine zu ergeben, die sich durch einen Pinot-ähnlichen Duft, durch frische Frucht und eine zarte Säure auszeichnen – eine Charakteristik, wie man sie bei guten Blaufränkisch-Basisweinen auch häufig findet. An ihnen wird die DNA der Sorte deutlich erkennbar. Die Blaufränkisch-Selektionsweine besitzen daneben mehr Tanninstruktur, sind langlebiger und komplexer. Berühmte Weine der letzteren Kategorie sind Gernot Heinrich Blaufränkisch „Alter Berg“, Ernst Triebaumers „Marienthal“, Markus Altenburgers „Jungenberg“, Gesellmanns „hochberc“, Preisingers „Bühl“, Moric „Alte Reben Neckenmarkt“ und „Alte Reben „Lutzmannsburg“, Uwe Schiefers „Reihburg“ und „Szapari“, Krutzlers „Perwolff“ – um nur einige zu nennen.
Geografie des Burgenlands ist wichtig
Doch der Reihe nach. Fast alle Blaufränkischen Österreichs kommen aus dem Burgenland. Das Burgenland ist ein grossflächiges, ausgedehntes Bundesland mit überwiegend warmem Klima. Anbaugebiete sind das südliche Burgenland um Eisenberg, das Mittelburgenland um Horitschon und Deutschkreutz, das Ostufer des Neusiedler Sees von Gols bis Halbthurn, das Westufer mit dem Leithaberg und die neue DAC-Zone Rosalia um Mattersburg.
Kompliziert. Aber wer Kenner sein will, muss sich in der Geografie des Burgenlands auskennen. Sonst schmeckt er zwar die Unterschiede. Aber er begreift sie nicht. Er versteht nicht, dass ein Blaufränkisch vom kühlen Leithaberg viel geschmeidiger ausfällt als ein Blaufränkisch aus Gols oder aus dem 100 Kilometer weiter südlich gelegenen Eisenberg. Es ist wie beim Käse: ein Bergkäs von der Alm schmeckt anders als ein Gouda aus den holländischen Marschen.
Der SALON ist eine Plattform für kleine, noch wenig bekannte Weingüter
Ich habe 15 Blaufränkische aus den verschiedenen burgenländischen Anbaugebieten verkostet. Sie alle sind beim SALON, der härtesten Weinprüfung Österreichs, ins Finale gekommen – zählen also zu den allerbesten des Landes. Die Besonderheit des SALON ist, dass dort vor allem kleine, noch wenig bekannte Produzenten ihre Weine zur Prüfung anstellen. Aus diesem Grunde probiere ich gern die SALON-Finalisten. Immer wieder finden sich unter ihnen spannende, noch wohlfeile Weine, die niemand kennen würde, wenn sie nicht an diesem Wettbewerb teilnähmen. Die bekannten Weingüter bleiben – wie bei Weinprüfungen in anderen Ländern auch – solchen Wettbewerben fern. Keine der oben erwähnten Blaufränkischen war zur Verkostung angestellt.
Auch von kleinen Winzern kommen sehr gute Weine
Allerdings sieht das SALON-Statut vor, dass immer ein paar der berühmteren Weine von Sommeliers und Fachjournalisten für den Härtetest nachnominiert werden, um die Vergleichbarkeit zu verbessern. So waren auch in diesem Jahr unter den 15 prämierten Blaufränkisch-Weinen 4, die durch Nominierung ins Finale kamen. Einer von ihnen wurde prämiert, drei nicht. Das zeigt: Auch von kleinen Produzenten kommen teilweise Weine auf hohem Niveau.
Der Name ist Programm: „Fat Boy“ von Migsich
Allerdings unterscheidet die Blaufränkischen nicht nur die Herkunft. Auch die individuelle Stilistik der einzelnen Winzer und Güter prägt die Weine. Viele Blaufränkisch-Winzer – ich würde sogar sagen: die Mehrheit – strebt danach, möglichst reife Trauben zu ernten, um möglichst opulente Weine zu bekommen. Weine, die in der Folge alkoholschwer und neuholzlastig sind, mit schokoladigen Noten aufwarten, wenig Primäraromen und hohe pH-Werte haben, bei denen die Frische hinter der Fülle zurücktritt. Prototyp dieses Weins ist der Fat Boy von Mario und Erich Migsich. „Größer, breiter, länger“ steht auf dem Rücketikett. Dafür legen sich die Brüder ins Zeug. Eleganz bleibt auf der Strecke. Für Weine dieser Stilistik haben meiner Meinung nach Chilenen, Australier und Kalifornier die besseren natürlichen Voraussetzungen, auch wenn sie keinen Blaufränkisch besitzen. Reiche, voluminöse Weine zu produzieren, ist ja keine Kunst, zumindest nicht in warmen Anbaugebieten (und das pannonische Klima des Burgenlands ist warm). Die Herausforderung bestände für die Burgenländer darin, elegante statt reiche Weine zu erzeugen. Dieser Herausforderung entziehen sich viele Weingüter, wohl auch, weil der Markt – und damit die einheimischen Rotweinliebhaber – den üppigen Typ gerne trinken.
Blaufränkisch-Potenzial wird nicht genügend ausgeschöpft
Die DNA der Blaufränkisch verschwimmt umso mehr, je weiter die Weine die 14 Vol.%-Schwelle überschreiten. Und das tun fast alle SALON-Finalisten. Am deutlichsten ist das am SALON-Sieger in der Kategorie Blaufränkisch zu erkennen, dem „Best Creation“ von Hahnekamp-Sailer. Handwerklich-technisch ein makelloser Wein. Wer nicht aufs Etikett schaut, könnte ihn glatt für eine Zweigelt Reserve halten. Schokolade und Rumkirsche dominieren das Aroma. Frische und Säure werden geopfert. Den Rest besorgt das Neuholz. Weltklasse schmeckt anders.
Wer einen österreichischen Rotwein kauft, der möchte, glaube ich, auch, dass er österreichisch schmeckt, nicht wie ein Down Unter-Shiraz oder ein Anden-Merlot. Blaufränkisch besäße das Potenzial dafür. Dieses Potenzial wird im Burgenland noch zu wenig genutzt..
Die verkosteten Blaufränkisch-Weine im Überblick:
2015 Blaufränkisch Mittelburgenland DAC – 92 PunkteWeingut: J. Heinrich Lage: Ried Goldberg Über den Wein: tief beerenfruchtig mit viel Würze, Veilchen, frischer Kirschfrucht, Zwetschgenröster, Lakritzstaub: ein sehr präziser, balancierter Wein mit superfeinem Tannin,weder überreif noch überextrahiert, einfach nur sehr elegant. Allerdings kein Unbekannter für Österreichs Weinkenner (ca. 25 Euro) |
2015 Blaufränkisch Leithaberg DAC Reserve – 92 PunkteWeingut: Weingut Prieler Lage: Ried Marienthal Über den Wein: hochkonzentrierter, substanzreicher Blaufränkisch aus einer berühmten Lage – aber einer der leisen Art: Veilchen, Rote Bete, jodige Mineralität, noch im Klammergriff des Tannins. Derzeit relativ unspektakulär, doch mit besten Anlagen ausgestattet. Top-Blaufränkisch von Prieler (50 Euro und mehr)
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2015 Blaufränkisch Eisenberg DAC Reserve – 91 PunkteWeingut: Weingut Jalits Lage: Diabas Über den Wein: aus dem warmen Süden des Burgenlands kommend, aber keine Alkoholbombe: ein kraftvoller, abe kein fetter Blaufränkisch mit viel Brombeer, Tabak, auch ein wenig Bitterschokolade auf der Zunge und einem festen Tanningerüst, das den Wein zusammenhält. Resultat: ein vielschichtiger, feiner Vertreter der Rebsorte (26 Euro) |
2015 Blaufränkisch Leithaberg DAC – 91 PunkteWeingut: Weingut Kirchknopf Lage: Ried Reisbühl Über den Wein: beerig mit pfeffrig-ledriger Note, weit ausholen, zugleich aber sehr aromentief: sehr gelungener, ehrgeiziger Wein mit Zukunft. Mit 33 Euro allerdings gut bezahlt. |
2015 Blaufränkisch Reserve Burgenland – 90 PunkteWeingut: Josef Tesch Qualitätsbezeichnung: Selection Über den Wein: sehr reife, warme Frucht mit einer zimtig-orientalischen Würznote und mächtigem, rauhsamtigen Tannin: ein Blaufränkisch von großer Spannweite, bei dem Schweretrinker auf ihre Kosten kommen (ca. 30 Euro) |
2015 Blaufränkisch Reserve Burgenland – 90 PunkteWeingut: Emmerich und Christian Haider Lage: Ried Neuberg Über den Wein: dicht gewoben mit satter, frischer Frucht, Schwarzkirsche, Tabak, Neuholz: anspruchsvoll und delikat bei mittlerer Struktur und überschaubarem Reifepotenzial. Merkwürdig das Etikett mit dem Foto einer langbeinigen Frau, die gerade ihren Slip auszieht?! |
2015 Blaufränkisch Leithaberg DAC – 90 PunkteWeingut: Weingut Kirchknopf Über den Wein: stark kirschfruchtiger Wein, extraktsüß, milde Säure, üppige 14 Vol.% Alkohol, doch enorme Frische, gut zusammengehalten durch durch ein straffes Tanningerüst:in sich stimmiger, nicht überzogener Blaufränkisch, landet punktgenau auf der Zungenmitte. 3. Platz in der Blaufränkisch-Wertung. Mit 13,90 Euro ein Schnäppchen |
2015 Blaufränkisch Eisenberg DAC Reserve – 90 PunkteWeingut: Weinhof Gassler Über den Wein: dunkelrubinrote Farbe, weiche, warme Frucht, gute Konzentration, Schattenmorellen, schwarzer Pfeffer, fleischig: ein Südburgenländer wie aus einem Guss, und das für 13 Euro. Respekt! |
2015 Blaufränkisch Burgenland – 90 PunkteWeingut: Weingut Hahnekamp-Sailer Qualitätsbezeichnung: Best Creation Über den Wein: wuchtiger Wein mit verrückten 15 Vol.% Alkohol, entsprechend weich und samtig am Gaumen, trotzdem nicht überreif: viel Kirsche, aber natürlich auch viel Schokolade, würziger Zigarrentabak. Wegen seiner Fülle sehr eindrucksvoller Wein, der zum Blaufränkisch-Sieger gekürt wurde. |
2015 Blaufränkisch Mittelburgenland DAC – 89 PunkteWeingut: Weingut Hans Igler Lage: Ried Hochberg Über den Wein: Lagenwein, der als einfacher Mittelburgenland DAC konzipiert ist und in der Betriebshierarchie erst auf Platz 3 der Blaufränkischen steht: frische Kirschfrucht, moderater Alkohol, zarte Säure – ein leicht holzbetonter, moderater Blaufränkisch von großer Ausdruckskraft, keine Trinkschokolade. Und für 11 Euro ein Schnäppchen. |
2015 Blaufränkisch Carnuntum – 89 PunkteWeingut: Meinrad Markowitsch Lage: Ried Haidacker Über den Wein: der einzige nicht-Burgenländer in der Finalrunde: aus dem westlich an der Donau liegendem Carnuntum kommend, schon in der Nase viel Schokolade und Rumkirschen, am Gaumen reich, aber nicht sonderlich komplex, nach dem zweiten Glas ermüdend (15 Euro) |
2016 Blaufränkisch Burgenland – 89 PunkteWeingut: Winzerhof Kiss Lage: Ried Jungenberg Über den Wein: mit 14,5 Vol.% sehr opulent, extraktsüß, Mon Cherie-Noten, dabei leicht überextrahiert: sehr präsentes, trockenes Tannin. Rund 25 Euro |
2015 Blaufränkisch Reserve „Melanie” Burgenland – 89 PunkteWeingut: Weinhof Gassler Über den Wein: feiner, ausdrucksvoller Wein, sehr reife Beere in diesem Jahrgang, sehr üppig, durch Neuholz etwas zu stark aufgepimpert. 19,90 Euro |
2015 Blaufränkisch Reserve „Fat Boy” Burgenland – 89 PunkteWeingut: Weingut Migsich Über den Wein: gewollt üppiger, ja fetter Wein (dem Namen alle Ehre machend) mit 14,6 Vol.% Alkohol, viel Neuholz, viel Nougat und Bitterschokolade: trotzdem kein Monsterwein, sondern ein leichtfüßiges Schwergewicht. 2. Platz beim SALON (ambitionierter Preis: 55 Euro). |
2015 Blaufränkisch Mittelburgenland DAC – 88 PunkteWeingut: Winzerkeller Neckenmarkt Lage: Ried Himmelsthron Über den Wein: ein alter Bekannter in der Finalrunde, aber in 2015 nicht besser als 2013: warm, weich, beerig-süße Frucht, gute Substanz, aber locker gewoben, verliert sich schnell am Gaumen, zurück bleiben Neuholz- und Rumtopfaromen |