Aus Kiwi-Land herübergeschippert: Cloudy Bays 2011er Sauvignon

2011 Cloudy Bay Sauvignon Blanc
In Neuseeland muss schon ein Containerschiff untergehen, damit etwas aus dem fernen Inselstaat bis nach Europa dringt. Dabei gäbe es sehr viel mehr zu berichten. Etwa das: Der 2011 Cloudy Bay ist da, der berühmteste Sauvignon Blanc des Landes. Und er ist diesmal richtig gut, findet Jens Priewe.

Für alle, die es viel­leicht noch nicht wis­sen: Der Sau­vi­gnon Blanc von Clou­dy Bay war der ers­te Wein, der Neu­see­land als Wein­na­ti­on bekannt gemacht hat. Das war 1985. Ohne ihn wür­den wir wahr­schein­lich noch heu­te glau­ben, dass es in dem pazi­fi­schen Insel­staat nur Scha­fe und Hob­bits gibt, auf der Suche nach dem „Herr der Ringe“.

Tat­säch­lich ist Neu­see­land ein wich­ti­ges und gleich­zei­tig hoch­in­ter­es­san­tes Wein­land. Wich­tig, weil dort mitt­ler­wei­le 37.000 Hekt­ar unter Reben ste­hen (mehr als ein Drit­tel der deut­schen Reb­flä­che). Und inter­es­sant, weil sei­ne Wei­ne explosiv-fruchtig sind und pikant auf eine Wei­se, wie wir sie in Euro­pa nicht ken­nen. Das gilt vor allem für die Reb­sor­te Sau­vi­gnon Blanc. Die Wei­ne aus ihr sind das Aus­hän­ge­schild des Lan­des und für die Außen­han­dels­bi­lanz Neu­see­lands so wich­tig wie der Käse für die Schweiz.

Nur wenige Weine werden nach Europa exportiert

Cloudy Bay Mustang Vineyard, Brancott ValleyDer Sau­vi­gnon Blanc aus dem Wein­gut Clou­dy Bay ist noch heu­te, da es Hun­der­te von Wei­nen aus die­ser Sor­te gibt, der bekann­tes­te und berühm­tes­te von allen. Ob er der bes­te ist, ist schwer zu ent­schei­den. Dazu müss­te man auch die ande­ren pro­bie­ren. Aber der 2011er ist ohne Zwei­fel gut, sehr gut sogar. Und das Bes­te: Er gehört zu den weni­gen neu­see­län­di­schen Wei­nen, die nach Deutsch­land expor­tiert wer­den. Das Wein­gut Clou­dy Bay gehört zum glo­bal ope­rie­ren­den Luxus­kon­zern LVMH.

Da die Jah­res­zei­ten auf der süd­li­chen Erd­halb­ku­gel ver­tauscht sind und im April dort Herbst ist, ist der 2011er schon seit eini­gen Mona­ten auf dem Markt: ein nicht über­trie­ben vol­ler, aber per­fekt aus­ba­lan­cier­ter, äußerst cha­rak­ter­star­ker Wein, der einer­seits die scho­ti­ge, an Erb­sen und Papri­ka erin­nern­de Wür­ze mit­bringt, die allen Wei­nen aus die­ser Sor­te eigen ist, ande­rer­seits einen tie­fen Duft von schwar­zen Johan­nis­bee­ren ver­strömt, im Hin­ter­grund sogar ein biss­chen Passionsfrucht.

Kein Wein für Osterhasen-Dompteure

Aller­dings ist der Clou­dy Bay Sau­vi­gnon kein Wein für Osterhasen-Dompteure. Wer die geschmack­li­che Her­aus­for­de­rung sucht und kei­ne Angst vor einer packen­den Säu­re hat, kann jedoch mit die­sem Wein glück­lich wer­den. Zu einem Wild­lachs mit Dill, einem grü­nen Spargel-Risotto, einem Zie­gen­kä­se mit Fei­gen­senf passt die­ser Wein genial.

Übri­gens hat­te auch die Rena, jenes Schiff, das zu Weih­nach­ten vor der Küs­te Neu­see­lands auf ein Riff gelau­fen war und vor ein paar Tagen aus­ein­an­der­ge­bro­chen ist, 4000 Kis­ten Wein gela­den – größ­ten­teils Sau­vi­gnon Blanc aus Marl­bo­rough. Der von Clou­dy Bay, so heißt es, soll nicht dabei gewe­sen sein.

Marl­bo­rough ist das größ­te Wein­an­bau­ge­biet Neu­see­lands. Es liegt im Nor­den der Süd­in­sel: eine von kah­len Hügeln ein­ge­rahm­te Tal­ebe­ne, die aus steinig-lehmigen Böden besteht und zum Pazi­fik hin offen ist. Von die­ser 26 Kilo­me­ter lan­gen Tal­ebe­ne kom­men die meis­ten Sau­vi­gnon Blancs des Lan­des. Auch das Wein­gut Clou­dy Bay befin­det sich dort.

Marlborough ist Sauvignon-Blanc-Land

Die kli­ma­ti­schen Ver­hält­nis­se Marl­bo­roughs spie­geln sich exakt in Sau­vi­gnon Blancs wider, die dort wach­sen: Die Wär­me, die dort tags­über herrscht und die sich im Som­mer zu veri­ta­blen Hit­ze­pe­ri­oden aus­wach­sen kann, führt zusam­men mit der hohen Licht­in­ten­si­tät zu mäch­ti­gen, alko­hol­rei­chen Wei­nen, die nicht sel­ten 14 Vol.% oder mehr aufweisen.

Weinberg Cloudy BayAnde­rer­seits sorgt die nächt­li­che Küh­le, die in Form von kal­ten Nebel­schwa­den vom Pazi­fik, genau­er gesagt: von der Clou­dy Bay her in das Tal ein­strömt, dafür, dass nichts von dem wür­zi­gen Aro­ma, das die Sau­vi­gnon Blanc über­all auf der Welt aus­zeich­net, ver­lo­ren geht. So kommt es, dass die Wei­ne trotz des hohen Alko­hol­ge­hal­tes eine mas­si­ve Säu­re und einen pikan­ten Geschmack aufweisen.

Man­che Wein­trin­ker spre­chen sogar vom „aggres­si­ven“ neu­see­län­di­schen Sau­vi­gnon Blanc. Tat­säch­lich erin­nern eini­ge Wei­ne an grü­ne Toma­ten, Klee, Kiwi, Zitro­nen­gras. Ein­hei­mi­sche wis­sen, dass die Wei­ne von den Bän­ken des Wairau River, der die Tal­ebe­ne durch­fließt, häu­fig die­se Cha­rak­te­ris­tik auf­wei­sen, vor allem, wenn die Trau­ben zu früh gele­sen wur­den. Von den leh­mi­gen Böden der Tal­mit­te kom­men dage­gen wei­che­re und ent­spre­chend rei­fe­re Sau­vi­gnon Blancs mit Pfirsich-, Passionsfrucht- und schwar­ze Johannisbeeren-Aroma.

Wie ein Faustschlag in die Magengrube

Das Wein­gut Clou­dy Bay umfasst 250 Hekt­ar Wein­ber­ge, die in ver­schie­de­nen Tei­len des Tals lie­gen. Sein Sau­vi­gnon Blanc ist immer eine Cuvée von grü­nen, vege­ta­bi­len Kom­po­nen­ten und den Aro­men gel­ber Früch­te. Als ich vor 15 Jah­ren das letz­te Mal in Marl­bo­rough war und eine lan­ge Nacht mit dem dama­li­gen Wine­ma­ker Kevin Judd dis­ku­tier­te, erklär­te er mir: „Am Ende ent­schei­det die rich­ti­ge Mischung dar­über, ob du den Wein als Gau­men­kitz­ler oder Faust­schlag in die Magen­gru­be empfindest.“

Den Rest der Nacht ver­brach­te ich damals schla­fend auf sei­nem Sofa. Traum­los, aber ohne Beschwer­den, so weit ich mich erinnere.

Die Begeg­nung mit dem 2011er dürf­te eben­falls völ­lig schmerz­frei ver­lau­fen, obwohl der heu­ti­ge Wine­ma­ker Tim Heath etwas frü­her als geplant lesen muss­te. Am 17. April war es näm­lich mit dem neu­see­län­di­schen Alt­wei­ber­som­mer vor­bei. Ein Regen- und Sturm­cha­os setz­te ein, und wer, weil er die Wet­ter­vor­her­sa­gen nicht sorg­fäl­tig genug beach­tet hat­te, ihm zum Opfer fiel, hat gar kei­nen Wein ern­ten können.

Übri­gens wird der Wein seit gerau­mer Zeit schon mit Dreh­ver­schluss aus­ge­stat­tet, um die kna­cki­gen Aro­men mög­lichst lan­ge zu kon­ser­vie­ren. Der Clou­dy Bay-Sauvignon ist zwar jetzt schon höchst attrak­tiv. Aber mit die­sem Ver­schluss ver­fei­nert er sich gut und ger­ne noch zehn Jah­re in der Flasche.

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