Aurelio Montes jun.Aurelio Montes ist Weinmacher in einem der besten Weingüter Chiles: Viña Montes. Berühmt ist es vor allem für hochklassige Cabernet Sauvignons. Seine Montes Alpha-Weine sind mittlerweile Icons in der Welt des Weins. Sein Vater, der auch Aurelio heißt, hatte Viña Montes 1987 gegründet. Vor zehn Jahren haben Vater und Sohn sich entschlossen, einen Ableger in Argentinien zu gründen: das Weingut Kaiken. Es liegt bei Mendoza, vier Autostunden von Santiago de Chile entfernt. Um die Kaiken-Weine kümmert sich Aurelio Montes jun. ebenfalls. Weltruf genießen sie zwar noch nicht. Aber weltweit vertrieben werden sie schon, und zwar mit großem Erfolg. In Deutschland werden sie von Wein Wolf vertrieben. Einige stehen bei Jacques Wein Depot und beim Kölner Weinkeller im Regal, andere können über Belvini, vineshop24 und andere bezogen werden.
Ein tyischer Vertreter der Nachfolger-Generation
Aurelio Montes jun. gehört zu jener Nachfolger-Generation, die trotz ihrer jungen Jahre einen Erfahrungsschatz aufweisen, den ihre Väter sich auch in zwei Leben nicht hätten erarbeiten können. Der studierte Agraringenieur ist 39 Jahre alt und hat als Winemaker in Australien, in Napa und im Burgund gearbeitet, bevor er nach Chile zurückehrte und in das väterliche Weingut einstieg. 2002 übernahm er den Aufbau des Weinguts Kaiken im argentinischen Mendoza.
Weinberge KaikenJens Priewe traf den trotz eines langen Fluges hellwachen Weinmacher in Schumanns Tagesbar in München und trank eine Kaffee mit ihm. Ihn interessierte vor allem die Frage, ob Montes jun. der Malbec traue, dieser aus Südwestfrankreich stammenden, Anfang des 20. Jahrhunderts nach Argentinien exportierten und mittlerweile zur „Nationalsorte“ hochstilisierten Traube, deren Weine in den USA heute Kult sind und die ihren Siegeszug nun auch in Europa fortsetzen wollen – was angesichts der relativ bescheidenen Preise durchaus klappen kann. Kaikens einfachster Malbec kostet rund 6 Euro, besitzt aber bereits Reserva-Qualität. Die Ultra-Premium-Qualität liegt bei 12 Euro. Der Spitzen-Malbec von Kaiken heißt Mai, kommt von 80jährigen Rebstöcken, die nur eine oder zwei Trauben tragen, und kostet rund 55 Euro – ein Luxuswein.
Interview mit Aurelio Montes jun.
Jens Priewe: Neben Rindfleisch und Tango ist Malbec derzeit der dritte große Exportschlager Argentiniens. Hat der Rotwein das Land geändert?
Montes: Nein, dazu ist Argentinien viel zu festgefügt in seinen Strukturen und Traditionen. Geändert hat sich die Weinbergfläche des Landes. Sie ist auf 220.000 Hektar angewachsen, und der Rotwein spielt dabei eine große Rolle, weil er ein Exportgut ist. Devisen tun jedem Land gut, Argentinien ganz besonders.
Jens Priewe: Schuld ist die Malbec-Traube?
Montes: Wahrscheinlich war sie die treibende Kraft. Sie bedeckt heute 35.000 Hektar der Weinbergfläche. Das ist viel, sehr viel.
Jens Priewe: Zu viel?
Montes: In der Tat besteht die Gefahr der Überproduktion. Malbec – das ist heute ein Spiel mit dem Feuer. In Australien haben wir vor ein paar Jahren gesehen, wohin man kommt, wenn alle plötzlich auf dieselbe Karte setzen. Ich meine Shiraz. Aus der Knappheit ist binnen weniger Jahre Überproduktion geworden mit der Folge eines verheerenden Preisverfalls.
Jens Priewe: Haben Sie mit der Gründung Ihres Weinguts Kaiken nicht auch zum Rebenboom beigetragen?
Montes: Natürlich. Aber wir haben nur etwa 110 Hektar Reben – sind für argentinische Verhältnisse eine Boutique-Winery. Außerdem sind wir im Gegensatz zu den 1.200 argentinischen Weingütern und Kellereien sehr international aufgestellt. Wir exportieren 98 Prozent der Produktion. Das schmälert unser Risiko.
Jens Priewe: Wie hoch ist der Malbec-Anteil an Ihrem Weinsortiment?
Montes: Er beträgt rund 70 Prozent. Das entspricht der augenblicklichen weltweiten Nachfrage.
Jens Priewe: In den USA besitzt Malbec mittlerweile Kultweinstatus. Kein Supermarkt kann sich ein Sortiment ohne Malbec leisten. Viel Mühe müssen sich die Argentinier also nicht geben, um ihren Malbec an den Mann zu bringen. Unlängst hat die Kellerei Trapiche, die einige der besten Lagen-Malbec Argentiniens erzeugt, beklagt, dass die Argentinier sich beim Malbec zu wenig anstrengen…
Montes: Malbec ist etwas für faule Weinmacher. Man kann Fehler machen, der Wein wird trotzdem gut.
Jens Priewe: Wirklich? Ein Großteil des Malbec-Weins ist überladen und viel zu alkoholisch. Andere Malbecs sind banal-fruchtig, geradezu harmlos. Wieder andere sind dumpf, ledrig oder weisen den berühmten „Apothekenton“ auf…
Montes: Gibt es alles. Aber die Menschen scheinen es dem Wein zu verzeihen. Malbec ist zur Marke geworden. Das ist gut, aber gefährlich. Irgendwann wird der Konsument möglicherweise feststellen, dass seine Erwartungen und der Inhalt der Flasche nicht mehr übereinstimmen. Dann lässt er die Finger vom Wein. Kaiken produziert deshalb nur Premium-Qualitäten. Wir haben unsere neuen Pflanzungen im Dichtstand angelegt mit 10.000 Rebstöcken pro Hektar. Sie befinden sich in Vistaflores auf 1.500 Meter Höhe. Da sind die Temperatursprünge zwischen Tag und Nacht besonders groß. Wir haben das Spalier in die Höhe gezogen, weil uns die Durchlüftung der Weinberge wichtiger ist als die Wärmereflektion durch den Boden. Malbec war und ist für uns keine Marke. Unsere Marke heißt Kaiken.
Aurelio Montes jun.Jens Priewe: Stimmt es, dass Argentinien seine Malbec-Reben aus Frankreich bezieht?
Montes: Argentinien hat eigene Rebschulen. Aber der Malbec-Klon, den unsere Rebschulen anboten und der jahrelang in Argentinien angebaut wurde, stammt aus Cahors. Seit einigen Jahren haben wir endlich einen eigenen, argentinischen Malbec-Klon, eine Art Feldselektion aus heimischen Weinbergen, die von den Rebschulen dann vermehrt wurden. Dieser Klon hat kleinere Trauben und kleinere Beeren als der Cahors-Klon. Außerdem ist er dunkler in der Farbe. Den haben wir zum Beispiel in unseren Weinbergen gepflanzt.
Jens Priewe: Wird Argentinien auch in Zukunft auf Malbec setzen?
Montes: Im Moment ist es fast egal, was in der Flasche ist. Hauptsache, Malbec steht auf dem Etikett. Niemand in Argentinien ist so dumm, an der enormen Nachfrage nach diesem Wein vorbeizuproduzieren. Die Klugen denken jedoch weiter. Sie benutzen die Malbec auch als Cuvéepartner, etwa für Cabernet Sauvignon, Merlot, Petit Verdot oder Bonarda, die seit über hundert Jahren in Argentinien existiert. Oder sie erzeugen Terroir-Weine, die von einzelnen, besonders hochwertigen Lagen kommen. Und schließlich kann man in Argentinien aus Cabernet Sauvignon auch ohne Malbec große Weine erzeugen.
Jens Priewe: Können diese Weine mit den chilenischen Cabernets mithalten?
Montes: Oh ja. Allerdings stehen wir in Argentinien diesbezüglich erst am Anfang. Wir haben zwar begriffen, dass Mendoza mit seinem blauen Himmel und seinem warmen Klima wie gemacht ist für eine spätreife Sorte wie Cabernet Sauvignon. Aber wir wissen noch zu wenig über unsere Böden.
Jens Priewe: Argentinischer Cabernet Sauvignon – ist das die Zukunft?
Montes: Im Vergleich zur Malbec ist Cabernet Sauvignon eine schwierige Sorte. Aber sie kann auch in Argentinien phantastische Weine ergeben, vielleicht nicht so würzig wie in Bordeaux, doch herrlich fruchtig mit großer Konzentration und Tiefe. Wir müssen sie nur in den richtigen Lagen pflanzen. Seidige Tannine, die gibt es beispielsweise nur, wenn sie auf Lehm wächst. Lehm gibt es aber nur an wenigen Stellen in der Provinz Mendoza. In Vistalba etwa.
Jens Priewe: Dort steht Kaikens Cabernet Sauvignon?
Montes: Ja, auf über 1.000 Meter Höhe. Was Feinheit und Fülle angeht, hat es ein Malbec schwer gegen einen guten Cabernet Sauvignon.
Jens Priewe: Vom Wein mal abgesehen: Wie kommen Sie menschlich in Argentinien zurecht? Chilenen und Argentinier sind ja nicht beste Freunde.
Montes: Wir Chilenen sind in den Augen der Argentinier wie Deutsche: tüchtig, aber quadratköpfig und arbeitsfokussiert. Menschen ohne Lebensqualität. Vielleicht fühle ich mich deshalb in Argentinien so wohl. Ich habe viele Freunde, jeden Tag gibt es irgendwo ein Barbecue. Die Argentinier sind einfach freundlicher und relaxter als wir Chilenen. Sie machen von 13 bis 17 Uhr Siesta, danach gehen sie aus zum Shoppen oder ins Restaurant. Die Temperaturen in Mendoza sind hoch, und Sparen lohnt sich sowieso nicht. Die Inflation liegt bei 40 Prozent. Wer Geld hat, gibt es schnell aus. Vernünftige Einstellung. Die Chilenen haben vielleicht mehr Geld, aber auch mehr Schulden. In Argentinien hat niemand Schulden. Bei 25 Prozent Zinsen kann sich keiner groß verschulden.