Start 1 Archiv Auch der Rosso di Montalcino bleibt ein 100%iger Sangiovese-Wein

Auch der Rosso di Montalcino bleibt ein 100%iger Sangiovese-Wein

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Landschaft Montalcino

Der Versuch einiger großer Brunello-Produzenten, für die Erzeugung des Rosso di Montalcino einen kleinen Anteil Merlot, Cabernet Sauvignon oder Syrah zuzulassen, ist gescheitert. Eine deutliche Mehrheit der Erzeuger war nicht bereit, das Produktionsstatut für diesen Wein zu ändern. Damit wird der Rosso di Montalcino weiterhinzu hundert Prozent aus Sangiovese-Trauben erzeugt – wie der Brunello. Im Frühjahr hatten die Brunello-Erzeuger bereits entschieden, das Produktionsstatut für ihren Spitzenwein nicht zu ändern und keine weiteren Rebsorten zuzulassen. Damit waren und sind Brunello di Montalcino und Rosso di Montalcino die einzigen toskanischen Rotweine, die ausnahmslos aus Sangiovese-Trauben erzeugt werden müssen.

Die Großen Pro, die kleinen Contra

Es war eine lange, hochgradig emotionalisierte Versammlung, die am Mittwoch vergangener Woche in Montalcino stattfand, mitten in der der Lese. Auf der einen Seite die Vertreter der großen Weingüter wie Castello Banfi, Frescobaldi und Il Poggione, die auf „Ja“ zur Änderung des Produktionsstatuts drängten und vehement dafür warben, optional 15 Prozent andere, in Montalcino gewachsene Sorten in die Cuvée des Rosso di Montalcino integrieren zu dürfen. Auf der anderen Seite Jacopo Biondi Santi, Gianfranco Soldera (Case Basse), Francesco Illy (Mastroianni), Francesco Cinzano Marrone (Col d’Orcia) und viele kleine Familienbetriebe, die auf einem strikten „Nein“ beharrten. Am Ende setzten sich die Sangiovese-Puristen klar durch: mit 69 Prozent der Stimmen wurde einer Änderung des derzeitigen Rosso-Statuts eine klare Absage erteilt.

„Endlich haben wir Klarheit und können diesen Fall abschließen, der uns seit über einem Jahr beschäftigt“, resümierte Ezio Rivella, der Präsident des Schutzkonsortiums Brunello und des Rosso di Montalcino. Glücklich dürfte er über den Ausgang der Abstimmung nicht gewesen sein. Der frühere Banfi-Direktor hat nie einen Hehl daraus gemacht, dass er für eine Lockerung des Sangiovese-Gebots ist, sowohl beim Rosso wie beim Brunello.

Auch Angelo Gaja, der in Montalcino das Weingut Pieve Santa Restituta besitzt, hält mit seiner Meinung nicht hinterm Berg, dass die Einbeziehung anderer Rebsorten in beide Weine von Vorteil wäre. An Abstimmung und Aussprache hatte er nicht teilgenommen.

Fünf Gründe dagegen

Tatsächlich ist keineswegs klar, ob die Entscheidung klug war, in Zukunft nur auf Sangiovese zu setzen. Die Befürworter einer Änderung führten fünf Gründe ins Feld, um ihre Auffassung zu stützen. Erstens ist die Sangiovese generell eine schwierige Sorte, die nicht jedes Jahr voll ausreift und manchmal dünne Weine mit sprödem Tannin ergibt. Zweitens passiert dies besonders in den Randlagen des Anbaugebiets mit ungeeignetem geologischen Bodenprofil. Drittens ist das Anbaugebiet von Montalcino in den letzten Jahrzehnten gerade in diese Lagen ausgeweitet worden. Viertens ist der gute Preis wegen der Brunello-Produktion überproportional angestiegen (9 Millionen Flaschen), während der Rosso, weil ökonomisch unattraktiv, zu einem „Restwein“ wurde und an Attraktivität eingebüßt hat (3,6 Millionen Flaschen). Fünftens ist der gesamte Markt für toskanische Qualitätsweine stark fraktioniert, und die neuen Konsumentennationen wissen oftmals nicht, was Tradition ist. Und wenn doch, wissen sie diese nicht zu schätzen.

Die Gegner des Änderungsbegehrens pochen vor allem auf das Argument, dass der Erfolg und das Image des Brunello untrennbar mit der Sangiovese-Traube verbunden ist – historisch und ökonomisch. In den Tagen vor der Abstimmung hat sich – einmalig in der Welt – eine publizistische Kampagne formiert, in der Journalisten und Kritiker vor einer Aufweichung des Produktionsstatuts warnten.

Publizistische Kampagne

„Das stärkste Argument für die Identität des Rosso di Montalcino ist die Tatsache, dass er zu hundert Prozent aus Sangiovese besteht“, ließ der englische Buchautor Nicholas Belfrage („Life Beyond Lambrusco“) die Produzenten in einem Brief wissen und mahnte sie eindringlich, mit „Nein“ zu stimmen. Decanter-Autorin Karin O’Keefe fürchtete, dass der Rosso di Montalcino durch internationale Sorten im Meer populärer Sangiovese-/Merlot-Blends untergehen werde. Die zahllosen italienischen Weinblogger, die sich im Netz tummeln, kämpfen noch heute wortreich für den Erhalt des traditionellen Rosso-Codes.

Nicht abzustreiten ist, dass die Ausnahmestellung des Brunello und des Rosso di Montalcino unter den toskanischen Rotweinen auf der besonderen Qualität der Sangiovese beruht. Montalcino gilt zu Recht als das Anbaugebiet, in dem diese Sorte ihren höchsten Ausdruck findet. Doch dieses Argument hat nur Gültigkeit für die Weine von den großen Terroirs. Durch die Ausweitung der Anbauzone von 450 Hektar (1975)  auf 2400 Hektar sind auch Lagen einbezogen worden, die nicht die Voraussetzungen bieten, jedes Jahr Sangiovese-Qualitäten hervorzubringen, wie sie für einen Brunello oder für einen Rosso di Montalcino nötig sind. Besonders der Rosso kommt häufig aus Rand- oder Grenzlagen.

Sant’Antimo wenig erfolgreich

Dieser Umstand ist den Winzern von Montalcino durchaus bekannt. Deshalb haben sie schon 1996 eine Appellation Sant’Antimo DOC gebildet, deren Grenzen weitgehend mit der Brunello-Zone identisch sind. Der entsprechende Rotwein kann bis zur Hälfte aus alternativen Sorten gekeltert werden. Dafür darf er weder Rosso noch Brunello heißen, sondern muss unter der unattraktiven Bezeichnung Sant’Antimo Rosso auf den Markt kommen.

Ein großer Erfolg war den Sant’Antimo-Weinen leider nie beschieden. Deshalb der Versuch, das Statut des Rosso di Montalcino zu modifizieren, um es für diese Weine zu öffnen. Unter dem Namen Rosso di Montalcino erhoffen sich die Winzer mehr Erfolg, vor allem Castello Banfi, das 242 der 450 Hektar im Anbaugebiet Sant’Antimo DOC besitzt. Um eventuelle Nachteile auszugleichen, sollte die Tröpfchenberegnung (die in Montalcino generell verboten ist) erlaubt und die Vorschrift, dass die Weinberge am Hügel liegen müssen, gelockert werden.

Verlangt der deutsche Markt nach einem weicheren Rosso di Montalcino?

Dass sich damit die Misere ändert, bezweifeln die Gegner des Änderungsbegehrens vehement – und wahrscheinlich haben sie Recht. „Durch Einbeziehung der Sant’Antimo-Weinberge würde mehr Rebfläche ins Rosso-Kataster eingeschrieben“, schlussfolgert Jacopo Biondi Santi. „Das Anschwellen der Rosso-Produktion würde den Markt verstopfen. Deshalb bin ich sicher, dass Montalcino nicht nur in imagemäßiger, sondern auch in kommerzieller Hinsicht eine richtige Entscheidung getroffen hat.“

Damit ist die Frage noch nicht geklärt, wie der heutige Rosso di Montalcino wieder zu einem Wein werden kann, der seines Namens würdig ist. „Viele Märkte, vor allem Deutschland, Kanada und China, verlangen einen runderen, weicheren Rosso di Montalcino“, sagt Fabrizio Bindocci, Direktor des Weinguts Il Poggione. „Den Produzenten sollte erlaubt werden, auf diese Wünsche einzugehen.“

Die Chianti- und Chianti classico-Winzer hatten schon vor über zehn Jahren beschlossen, der Sangiovese, die die Basis ihrer Weine bildet, bis zu 20 Prozent anderer Sorten hinzufügen zu dürfen. Beim Vino Nobile di Montepulciano sind es sogar 30 Prozent. Carmignano, Pomino, Morellino di Scansano und alle anderen auf Sangiovese basierenden toskanischen Rotweine dürfen mehr oder minder hohe Anteile anderer Sorten enthalten. Ihr Ansehen ist vielleicht nicht so hoch wie das der Weine von Montalcino. Aber untergegangen im Meer internationaler Cuvées sind sie nicht.

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