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Assyrtiko von Hatzidakis: Santorini at its best

Es gibt in der Welt viele erfrischende Weißweine mit schöner Frucht und süßem Schmelz. Es gibt rassige Weißweine mit strammer Säure und feiner Mineralität. Es gibt cremige Weißweine mit breiten Schultern und zarter Röstaromatik. Und es gibt den Santorini. Alle sind sie anders. Aber der Santorini ist ganz anders. Erstens gibt es ihn nur auf dem kleinen Archipel in der Ägäis, das wegen seiner Schönheit und seines altgriechischen Flairs berühmt ist, während es die anderen Weine in mehr oder minder gleicher Stilistik überall auf der Welt gibt. Zweitens ist der Santorini ein griechischer Wein, und griechischer Wein hat in Deutschland ein Tavernen-Image. So vorbestraft ist keiner der anderen Weißweine. Drittens ist die Rebsorte, aus der der Santorini gewonnen wird, unter Weintrinkern so bekannt wie die Halbmetalle im Periodensystem der anorganischen Chemie unter Germanisten. Sie heißt Assyrtiko.

Assyrtiko von Santorini ist rar

Assyrtiko-Rebe auf Santontorini
Assyrtiko-Rebe auf Santontorini

Viertens rankt die Assyrtiko nicht am Draht, sondern in runden Bodennestern – ein Erziehungssystem, das es nirgendwo sonst auf der Welt gibt. Fünftens sind die Assyrtiko-Reben auf Santorini alle noch wurzelecht. Die Reblaus hat es bis heute nicht in die Ägäis geschafft. Wurzelechte Reben gibt es zwar auch anderswo auf der Erde. Aber dass alle Rebstöcke eines Anbaugebiets unveredelt sind, ist einmalig. Sechstens gibt es auf der ganzen Insel nur 1.800 Hektar Reben, von denen ungefähr 1.000 Hektar mit Assyrtiko bestockt sind. Der Wein ist also rar. Außerdem muss man wissen, dass die Erträge bei dieser eigentümlichen Erziehungsform minimal sind. Sie schwanken zwischen 20 und 30 Hektoliter pro Hektar.

Sensationell, was Hatzidakis auf die Flasche bringt

Santorini
Santorini

Man könnte hier mit der Aufzählung der Besonderheiten fortfahren und von Boden erzählen, vom Wind, von der sich immer tiefer ins Land fressenden Urbanisation, der wertvolles Rebland zunehmend zum Opfer fällt. Und von den insgesamt nur 13 Produzenten des Santorini-Weins, die es auf der Insel gibt. Ich möchte mich hier aber auf einen einzigen Produzenten beschränken – den, von dem der eingangs erwähnte Wein stammt, der bei mir so tiefe Spuren hinterlassen hat. Er heißt Haridimos Hatzidakis, und was er auf die Flasche bringt, ist sensationell. Der oben beschriebene Wein ist sein einfachster Santorini. In ihn gehen auch Trauben ein, die er von anderen Weinbauern der Insel kauft – Trauben, die biologisch-organisch erzeugt sind wie seine eigenen und von 60- bis 80-jährigen Reben kommen.

Hatzidakis ist der Bio-Pionier der Insel

Haridimos Hatzidakis
Haridimos Hatzidakis

Hatzidakis ist der Bio-Pionier der Insel. Dieser einfache Santorini wurde spontan vergoren und hat danach 40 Tage im Edelstahltank auf der Hefe gelegen  – ist also rein technisch betrachtet ein anspruchsvoller Wein. Er hat eine ins Gelbe tendierende Farbe, einen Duft von Zitrusfrüchten, rauchiger Vulkanerde und von frischer Hefe. Auf der Zunge ist er ausgemacht salzig und extraktreich, dabei von einer markanten Säure durchzogen. Seine Textur erinnert an feinsten Cashmir. Aus diesem Grunde empfehle ich auch diesen Einstiegswein all jenen, die sich noch wenig mit Santorini und seinen Assyrtiko-Weinen auskennen. Der von Hatzdakis schmiegt sich weich an den Gaumen, um sein Feuerwerk an Aromen abzubrennen.

Der Mylos – ein schwieriger Gigant

Weinberge auf Santorini
Weinberge auf Santorini

Für Hatzidakis Assyrtiko de Mylos gilt das nicht. Dieser Wein aus einer Einzellage mit hundertjährigen Rebstöcken ist ein Gigant, ein schwieriger allerdings. Ich hatte ihn in der Sushi Bar in München zum Essen bestellt. Der Sommelier riet mir ab. Zu kompliziert, sagte er. Ich habe ihn trotzdem getrunken, auch genossen. Aber der Wein ist noch nicht wirklich trinkreif. Der Sommelier hatte Recht. Er pelzt am Gaumen als Folge einer 12-stündigen Maischestandzeit, die Hatzidakis ihm vor der eigentlichen Vergärung zugedacht hat. Weißwein und Tannin – das ist nichts für normale Weißweintrinker. Im nächsten oder übernächsten Jahr wird er, vermute ich, umso mehr glänzen. Denn das Tannin macht ihn haltbar und hält ihn frisch. Auch sonst ist der Mylos eher etwas für vinologische Abenteurer. Er ist nicht nur spontan vergoren, sondern auch ungeklärt und unfiltriert abgefüllt worden. Das heißt: Er ist trüb. Und mit 15 Vol.% Alkohol ist er kein Wein für Leichtmatrosen. Doch durch seine ungeheure Dichte steckt er den Alkohol problemlos weg. Was bleibt, ist ein Spannungsbogen, wie er bei Weißweinen ganz selten ist: frische Limette und knackige Säure auf der einen, Mundfülle mit Nuancen von kandierter Orangenschale mit einer Prise Rauchsalz auf der anderen Seite. Hoffentlich hat die Sushi Bar ihn in einem Jahr noch auf ihrer Weinkarte. Sonst müsste ich mir ein paar Fläschlein in den Keller legen.

Die Weine


2015 Santorini, Hatzidakis
2014 Santorini „Assyrtiko de Mylos“, Hatzidakis
Bezug: www.griechischer-weinversand-vindusud.de
Preise: 19,50 Euro / 38,90 Euro


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3 Kommentare

  1. Liebe Weinkenner, lieber Herr Priewe,

    nachdem ich bereits einige Male in Santorini war, zuletzt im vergangenen September, habe ich mich an einem Gedicht zum Assyrtiko Wein versucht.
    Des Reimes wegen, ist nicht alles vinophilgerecht.

    Göttertrunk

    Es gibt weltweit nicht viele Orte,
    das sage ich nicht ohne Stolz,
    wo solch ein Wein der weissen Sorte,
    gekeltert wird – meist ohne Holz.

    Aromatisch, rund am Gaumen,
    Birne, Apfel, Ananas.
    Mineralisch, etwas Pflaumen,
    ein Maul von Wein, wie lieb ich das.

    Das Finale endet lange,
    kommt einer Offenbarung gleich,
    zeigt eine vinophile Spanne,
    von aromatisch , hin zu fruchtig weich.

    Die Rebe wächst ganz autochthon,
    Asyrtiko wird sie genannt,
    in ihrer Heimat auf dem Thron,
    woanders fast noch unbekannt.

    Die Insel, woher der Rebsaft stammt,
    heisst Fira oder Santorin,
    und liegt im Süden Griechenlands,
    ein Paradies, im wahrsten Sinn.

  2. Guten Tag zusammen. Im kommenden Juni werde ich mal wieder nach 8 Jahren nach Santorin fliegen. Ich freue mich schon sehr auf dir wunderbaren Asyrtiko Weine, aber auch auf den einen oder anderen Mavrotragano oder einen süßen VinSanto. Jetzt zu meiner Frage: Haben Sie die Asyrtikos von u.a. Hatzidakis vor Ort verkostet und wenn ja, dann waren Sie sicherlich auch einmal gut essen. Könnten Sie mir daher einige Restaurants empfehlen. Dafuer herzlichen Dank und natürlich auch für den ‘Weinkenner’ an sich. MfG KWj

    • Sehr geehrter Herr Waldhans,

      ich hoffe, Herr Priewe wird es mir nachsehen, dass ich auf Ihre Frage antworte.
      Nirgendwo in Griechenland gibt es eine solche Dichte und Güte an erstklassigen Restaurants wie auf Santorin.
      Meine drei persönlichen Empfehlungen:
      – Restaurant “Metaxi mas” in Exo Gonia
      http://www.santorini-metaximas.gr/en/
      Das war das Stammrestaurant von Haridimos Hatzidakis. Etwas verdeckt hinter der Kirche von Exo Gonia. Ausgezeichnetes Essen auf Basis von lokalen Zutaten. Reservieren Sie rechtzeitig, wenn Sie einen Tisch draußen unter dem Santoriner Sternenhimmel haben möchten.

      – Taverna “To Psaraki” in Vlychada
      http://www.topsaraki.gr/joomla/
      Wenn Sie Fisch und Meeresfrüchte mögen, sind Sie hier bestens aufgehoben. Direkt über dem Jachthafen von Vlychada.

      – Restaurant “Selene” in Pyrgos
      http://www.selene.gr/
      Eine der besten Adressen nicht nur auf Santorin sondern in ganz Griechenland. Gourmet Restaurant mit feiner griechischen Küche. Entsprechendes Preisniveau!

      Ich wünsche Ihnen jetzt schon eine schöne Reise!

      Mit freundlichen Grüßen
      Stelios Paltatzidis

      Stelios Weine

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Autor

Jens Priewe
Jens Priewe
Jens Priewe hat viele Jahre als Politik- und Wirtschaftsjournalist gearbeitet, bevor er auf das Thema Wein umsattelte. Er schreibt Kolumnen für den Feinschmecker und für das schweizerische Weinmagazin Merum. Für den Weinkenner, dessen Gesellschafter er ist, hat er seit der Gründung über 200 Artikel beigesteuert. Außerdem ist er Verfasser mehrerer erfolgreicher Weinbücher (u. a. „Wein – die grosse Schule“, „Grundkurs Wein“). Er stammt aus Schleswig-Holstein, lebt aber seit fast 40 Jahren in München.

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