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Artadi verzichtet auf den Namen „Rioja“ – aus Protest

Artadi, eines der weltberühmtesten Weingüter der Rioja, verlässt den Consejo Regulador, das Kontrollgremium der Weinproduzenten des Anbaugebiets. Das teilte die Familie Lopez de Lacalle zum Jahresende mit. Damit können die Artadi-Weine künftig nicht mehr als Rioja DOCa auf den Markt kommen. Sie werden ab dem Jahrgang 2014 als einfache Vino da Mesa (Tafelweine) etikettiert.

In einer sehr diplomatisch formulierten Pressemitteilung spricht die Familie von einem „neuen Kapitel“ in der Geschichte seiner 1985 gegründeten Kellerei, das sie mit ihrem Austritt aus dem Kontrollorgan des Consejo Regulator aufschlagen möchte: „Renommierte Weinanbaugebiete wie Bordeaux, Burgund, Champagne haben es geschafft, den Konsumenten die genaue Herkunft ihrer Weine zu vermitteln“, heisst es in einer Presserklärung. „Wir glauben ebenfalls, dass es wichtig ist, den Konsumenten die Verschiedenheit unseres Landes und der Weine deutlich zu machen…Daher sollen künftig der Boden, die Reben und die Menschen stärker im Mittelpunkt stehen.“

Hintergrund des Austritts sind erhebliche Meinungsverschiedenheiten zwischen Artadi und den Verantwortlichen des Consejo Regulador über die strategische Ausrichtung der grössten spanischen Qualitätswein-Appellation. Die Familie wirft den Verantwortlichen vor, die Zeichen der Zeit nicht erkannt und notwendige Gesetzesänderungen versäumt zu haben: “Wir glauben, das die Konsumenten heute bereits sind, die unterschiedlichen Realitäten in der Rioja zur Kenntnis zu nehmen. Darum ist es Zeit für eine Veränderung“, erklärte Ana Isabel Rodriguez, Export Manager von Artadi gegenüber der Presse.

Wie immer mehr andere kleine Weingüter auch, verfolgt Artadi eine streng Terroir-orientierte Politik und dringt auf die Bildung von Unterzonen-Appellationen mit strengeren Regeln, als die Gross-Appellation Rioja sie hat. So ist die Erwähnung von lokalen Distrikten oder Gemeinden auf den Etiketten untersagt – eine Politik, die der von Artadi diametral entgegengesetzt ist. „Die Appellation Rioja DOCa steht für Uniformität, was unserer Meiung nach falsch ist. Wir möchten hin zum Terroir-Konzept, aber im Consejo Regulador haben die grossen Unternehmen die Macht, und die wollen den Wandel nicht.“

Rioja ist die grösste spanische Qualitätswein-Appellation. Sie umfasst über 61.000 Hektar Reben. Der östliche Teil (Rioja Baja) ist fast mediterran geprägt und ergibt einen völlig anderen Typ von Wein als in der nordwestlich gelegenen Rioja Alta oder der zum Baskenland gehörigen Rioja Alavesa, obwohl in allen Gebieten die Tempranillo-Rebe die Basis der Weine ist. Die Rioja Alavesa liegt an den kühlen Hängen der Sierra Cantabria und ist in den vergangenen Jahren zum Sammelbecken der Unzufriedenen geworden. Auch Artadi bezieht einer grossen Teil seiner Trauben von dort. Seine Riojas „Viñas de Gain“, „Pagos Viejos“ und der Spitzenwein „Viña El Pison“ sind allesamt Rioja Alavesa.

Kritisiert wird von Artadi auch das Crianza-Reserva-Gran Reserva-System, das die Weine lediglich nach Kellerreife klassifiziert, aber keine Rückschlüsse auf die Qualität erlaubt. Artadi hat sich stets geweigert, diese Nomenklatur für seine Weine anzuwenden.

Artadis spektakulärer Austritt aus dem Consejo Regulador dürfte weltweit ein Zeichen setzen und die internationale Weinöffentlichkeit auf den seit langem schwelenden Konflikt in der Rioja hinweisen. Ob er dazu führt, dass die politische Linie der Rioja-Verwaltungsorgane sich ändert, ist allerdings fraglich. Zu stark sind die wirtschaftlichen Interessen in der Rioja, um das existierende System zu schwächen oder zu unterhöhlen. 400 Millionen Flaschen Rioja, die jedes Jahr produziert werden, stehen auf dem Spiel. Ein grosser Teil wird in Supermärkten und von Discounterketten zu Preisen zwischen (umgerechnet) 3,99 und 5,99 Euro angeboten, teils sogar als „Reserva“. Diesen Kernmarkt durch strengere Herstellungsregeln zu gefährden, werden die grossen Kellerein zu verhindern wissen.

Artadi selbst dürfte den freiwilligen Verzicht auf den Namen „Rioja“ unbeschadet überstehen. Seine Weine geniessen international höchste Wertschätzung und werden zu Preisen zwischen 20 und 200 Euro pro Flasche gehandelt.

 

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Autor

Jens Priewe
Jens Priewe hat viele Jahre als Politik- und Wirtschaftsjournalist gearbeitet, bevor er auf das Thema Wein umsattelte. Er schreibt Kolumnen für den Feinschmecker und für das schweizerische Weinmagazin Merum. Für den Weinkenner, dessen Gesellschafter er ist, hat er seit der Gründung über 200 Artikel beigesteuert. Außerdem ist er Verfasser mehrerer erfolgreicher Weinbücher (u. a. „Wein – die grosse Schule“, „Grundkurs Wein“). Er stammt aus Schleswig-Holstein, lebt aber seit fast 40 Jahren in München.

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