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Anschlag auf Vistarino: 600 000 Liter Pinot Grigio ausgelaufen

Wieder ein Racheakt in Italien: Ein Unbekannter hat nachts die Ventile von sechs randvollen 100-Hektoliter-Tanks der Kellerei Conte Vistarino im Oltrepò Pavese (Lombardei) geöffnet. Die Tanks standen im Freien, aber innerhalb des Betriebsgeländes. 600 000 Liter Wein sind im Boden versickert. Der Täter hat keine Spuren hinterlassen. „Er muss sich auf dem Gelände der Kellerei genauestens ausgekannt haben“, berichtet schockiert die Contessa Ottavia Giorgi di Vistarino. „Einen derartigen Akt von Vanadlismus haben wir im Oltrepò Pavese noch nicht erlebt, jedenfalls nicht in einer solchen Grössenordnung.“

In den meisten Tanks befand sich Pinot Grigio, gekeltert aus zugekauften Trauben von örtlichen Weinbauern.  Der Wert des Weins liegt bei ungefähr einem Euro pro Liter. Der materielle Schaden summiert sich so auf mehr als 600.000 Euro. Dazu kommt ein kleiner Tank mit Pinot Nero, dessen Ventile ebenfalls geöffnet worden waren. Vistarino ist bekannt seinen für Pinot Nero. Im jüngsten Gambero Rosso-Weinführer hat sein Spitzen-Pinot Nero „Bertone“ die 3 Gläser bekommen, die höchste Wertung. Der Wert der ausgelaufenen 60.000 Liter dieses Weins muss daher sehr viel höher veranschlagt werden als der des Pinot Grigio. Ausserdem wird ein grosser Teil der Pinot Nero-Trauben weiss vinifiziert und als Grundwein für die Schaumweinherstellung verkauft.

Ein ähnlich spektakulärer Fall von Sabotage hatte2012 das Weingut Case Basse in der Toskana getroffen. Nachts waren dort mehrere Holzfässer geöffnet worden, so dass 62.000 Liter Brunello di Montalcino in die Kanalisation flossen. Der Täter wurde wenige Wochen später gefasst: Es war ein Ex-Mitarbeiter, der sich schlecht behandelt fühlte.

Im Oltrepò Pavese wird derzeit wird über die Motive des Täters (oder der Täter) gerätselt. Vielleicht könnte Vistarino sein seriöses Geschäftsgebaren zum Verhängnis geworden sein. Die Kellerei zahlt ihre Traubenlieferanten nämlich bereits nach zwei Monaten aus – unüblich früh für das Oltrepò Pavese. Hatte ein Konkurrent der Kellerei Vistarino vielleicht einen Denkzettel verpassen wollen? Im Anbaugebiet läuft derzeit nicht alles in geordneten, sauberen Bahnen. Terre d’Oltrepò, die grösste Kellerei-Kooperative des Anbaugebiets, hat im grossen Stil gepanscht, indem sie mangels ausreichender Mengen Pinot Grigio minderwertigen Wein in einen DOC-Wein hineingeschnitten hat. Der Schwindel flog auf. Gegen 297 Personen wird ermittelt wegen Manipulation von Rebsortenregistern, gefälschten Rechnungen, Schwarzgeldzahlungen. Da einer der Hauptverdächtigten früher schon einmal in Apulien wegen Weinbetrugs verurteilt worden war, schliessen die Ermittler im Falle Vistarino auch einen Mafiaakt nicht aus.

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Autor

Jens Priewe
Jens Priewe
Jens Priewe hat viele Jahre als Politik- und Wirtschaftsjournalist gearbeitet, bevor er auf das Thema Wein umsattelte. Er schreibt Kolumnen für den Feinschmecker und für das schweizerische Weinmagazin Merum. Für den Weinkenner, dessen Gesellschafter er ist, hat er seit der Gründung über 200 Artikel beigesteuert. Außerdem ist er Verfasser mehrerer erfolgreicher Weinbücher (u. a. „Wein – die grosse Schule“, „Grundkurs Wein“). Er stammt aus Schleswig-Holstein, lebt aber seit fast 40 Jahren in München.

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