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Anschlag auf Case Basse: gesamter Brunello weg

Auf das Weingut Case Basse in Montalcino wurde ein Anschlag verübt. Unbekannte öffneten nachts die Fässer, sodass der gesamte Brunello von sechs Jahrgängen auslief. Bloßer Vandalismus oder ein mafiöser Akt? In jedem Fall eine Katastrophe für Gianfranco Soldera und seine Familie – aber auch für die Liebhaber großer Brunellos.

Brunello di Montalcino von Soldera
Brunello di Montalcino von Soldera

In der Nacht vom 2. auf den 3. Dezember 2012 wurde bei dem Weingut Case Basse in Montalcino eingebrochen. Unbekannte hebelten die Tür des (erst 2001 neu errichteten) Kellers auf und öffneten die Hähne von zehn Holzfässern. 62.000 Liter Brunello di Montalcino ergossen sich auf den Kellerboden.

Als der Besitzer Gianfranco Soldera am nächsten Morgen den Keller betrat, stand er vor einem riesigen Rotweinsee. Der gesamte Brunello der Jahrgänge 2007 bis 2012 war ausgelaufen. Der Schaden liegt zwischen 5 und 7 Millionen Euro.

Fässer geöffnet, aber nichts gestohlen

„Ein Akt des Vandalismus“ überschreibt die lokale Presse das spektakuläre Verbrechen. Der Präsident des Schutzkonsortiums, Fabrizio Bindocci, verurteilte die Tat aufs Schärfste. Die Vizepräsidentin Donatella Cinelli Colombini sprach von einen „beunruhigenden, ja schockierenden Ereignis“.

Die Tat ist umso mysteriöser, als keine einzige Flasche gefüllten Brunellos gestohlen wurde. Dabei lagerte eine größere Menge versandfertiger Kartons ebenfalls in dem Keller. Auch Computer und Maschinen wurden bei dem Einbruch nicht angetastet.

Teuerster auf dem Markt befindlicher Brunello

Keller von Case Basse
Keller von Case Basse

Case Basse ist mit 6,5 Hektar Weinbergen zwar ein relativ kleines Weingut. Mit Preisen zwischen 165 und 240 Euro pro Flasche ist sein Wein allerdings der teuerste Brunello di Montalcino auf dem Markt – teurer noch als die Riserva von Biondi Santi. Manch internationaler Weintrinker hält den Case Basse-Wein sogar für den größten existierenden Brunello.

Tatsächlich genießt der Wein dieses Gutes nicht nur preislich eine Sonderstellung. So produziert Case Basse nur ein Viertel der gesetzlich erlaubten Höchstmenge an Trauben in seinen Weinbergen – weniger als jeder andere. Der Wein wird grundsätzlich spontan und ohne Temperaturkontrolle vergoren. Für den Ausbau werden ausschließlich große Holzfässer aus slawonischer Eiche verwendet. In ihnen reift der Wein fünf Jahre lang, bevor er gefüllt wird. Die meisten anderen Brunello-Produzenten belassen ihn nur zwei Jahre im Holz, wodurch den gesetzlichen Vorschriften Genüge getan wird.

Wahrer des traditionellen Brunello

Gianfranco Soldera
Gianfranco Soldera

Soldera, ein ehemaliger Mailänder Versicherungsbroker, der das Weingut 1972 gegründet hatte, lebt mit seiner Frau Graziella, einer passionierten Rosensammlerin und Gartenarchitektin, nur 200 Meter vom Keller entfernt. Vom Einbruch hat er nichts bemerkt. Der „Wahrer des traditionellen Brunello“ ist ein Einzelkämpfer. Unter Kollegen in Montalcino besitzt er wenig Freunde. Weintester und Weinkritiker sind ihm ziemlich egal.

Auch der Arbeit des Schutzkonsortiums Brunello steht er äußerst skeptisch gegenüber. An der internen Debatte über den Zusatz anderer Trauben als Sangiovese zum Brunello hat er nicht teilgenommen. In persönlichen Statements hatte er jedoch deutlich gemacht, dass er jede Lockerung der gesetzlichen Bestimmungen vehement ablehne. In der Diskussion um die Frage, ob wenigstens der Rosso di Montalcino ein paar Prozent Merlot oder andere Trauben enthalten dürfe, erwies er sich ebenfalls als unbeugsamer Sangiovese-Purist.

In einer ersten Stellungnahme nach dem Einbruch sprach Soldera denn auch nicht von Vandalismus, sondern von einem „mafiösen Akt“. Allerdings habe es Hinweise, Warnungen oder gar Erprerssungsversuche im Vorfeld der Attacke nicht gegeben. Sein Sohn Maurizio fügte  hinzu, dass sich die Familie sowieso nicht einschüchtern lasse: „Der materielle Schaden ist zwar enorm. Aber wir werden weitermachen.“

In Deutschland ist der Brunello von Case Basse nur vereinzelt zu finden (etwa bei www.wein-direktimport.de und bei www.vinizia.de). In Österreich wird er von www.weinart.at vertrieben, in der Schweiz von www.globalwine.com und www.lucullus.ch.

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1 Kommentar

  1. Bitte was? 62.000 Liter auslaufen lassen. Hallo!!?? Wie ich aus Montalcino vernommen habe, arbeiten die Carabinieris bereits mit Hochdruck an der Aufklärung. Er ist ja bei Gott kein einfacher Mensch, und viele Freunde hat er rund um Montalcino in der Tat nicht, aber so etwas, nein, das geht gar nicht. Ich hatte schon das Vergnügen den wunderschönen Garten seiner Frau zu besichtigen und seine Weine in seinem Weinkeller zu verkosten. Das war ein einzigartiges Erlebnis. Wenn ich jetzt dieses hier höre, dann blutet mein Herz und es stimmt mich traurig und wütend zugleich. Es tut mir ausgesprochen Leid was Gianfranco Soldera und seine Familie durch machen müssen. Ich hoffe und wünsche, dass sie sich nicht einschüchtern lassen und weiter machen. Und hoffentlich bekommen die Carabinieris den Fall aufgeklärt. Als Brunello-Liebhaber hoffe ich zudem, dass es keine weiteren Anschläge gibt.

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Autor

Jens Priewe
Jens Priewe hat viele Jahre als Politik- und Wirtschaftsjournalist gearbeitet, bevor er auf das Thema Wein umsattelte. Er schreibt Kolumnen für den Feinschmecker und für das schweizerische Weinmagazin Merum. Für den Weinkenner, dessen Gesellschafter er ist, hat er seit der Gründung über 200 Artikel beigesteuert. Außerdem ist er Verfasser mehrerer erfolgreicher Weinbücher (u. a. „Wein – die grosse Schule“, „Grundkurs Wein“). Er stammt aus Schleswig-Holstein, lebt aber seit fast 40 Jahren in München.

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