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Alice Paillard: „Champagner kann man nicht mit KI machen.“

Anders als bei Weinen ist der Basischampagner eines Hauses selten ein guter Gradmesser für das, was danach kommt: Jahrgangs-Champagner, Prestige Cuvées und ähnliches. Mit dem Basischampagner verdient ein Haus das Geld, die gehobenen Qualitäten sorgen für den Glamour. Außergewöhnliche Spitzenchampagner thronen bei großen Champagnerhäusern oft auf banalen Basisqualitäten. Bei Bruno Paillard ist das anders. Schon das erste Glas der Première Cuvée Extra Brut – zum Aperitiv gereicht – zeigt, dass die Basis da zu verorten ist, wo bei anderen Häusern die gehobenen Qualitäten beginnen

Der Schlüssel sind die Réserve-Weine

Der Schlüssel für die gute Basisqualität ist die Selektion. Konkret: die Einbeziehung von Reserve-Weinen in die Assemblage. Eigentlich nichts Besonderes. Fast alle größeren Häuser arbeiten mit Réserve-Wein für ihre jahrgangslosen Champagner. Für Bruno Paillard spielen die Réserve-Weine jedoch eine größere Rolle als für die meisten Mitbewerber. Je nach Abfüllung besteht eine Assemblage aus bis zu 50 Prozent Réserve-Wein. Ein so hoher Anteil älterer Grundweine ist sehr selten. Er gibt dem Kellermeister einen großen Handlungsspielraum, um mit wichtigen Parametern wie Körper, Komplexität, Frische etc.  zu spielen und eine möglichst perfekte Balance auch in schwierigen Jahren zu finden.

Multi-Vintage-Champagner dank Solera-Réserve

Noch wichtiger ist die Art des Réserve-Weins bei Bruno Paillard.  Es handelt sich nämlich nicht um die üblichen Jahrgangsreserven, die zurückgelegt wurden, sondern um eine Solera-Réserve. Das heißt:  Es wird eine einzige Réserve angelegt, die jedes Jahr mit dem neuen Jahrgang aufgefüllt wird.  Seit 1985 geschieht das. Das heißt: In der Réserve befinden sich fast 40 Jahrgänge. Die Première Cuvée ist also ein echter Multi-Vintage-Champagner.

Alice Paillard

Alice Paillard seit 2018 Direktorin

Am Ende sind es natürlich nicht technische Herstellungsdetails, die die besondere Klasse dieses Extra Brut ausmachen, sondern die gekonnte Handhabung derselben. Nase, Gaumen und Kopf der an der Assemblage beteiligten Personen sind das Entscheidende. „Champagner kann man nicht mit künstlicher Intelligenz machen“, sagt Alice Paillard, 42. Die Tochter des Namensgebers ist seit 2018 Direktorin und Miteigentümerin der Maison Bruno Paillard.

Champagner ist ein Speisebegleiter

Zur Première Cuvée Extra Brut aßen wir klassisches Fingerfood. Aber dieser Basischampagner ist, genau genommen, kein Aperitvwein. Er besitzt so viel Struktur, dass man ihn auch zu gehaltvolleren Gerichten servieren könnte: Steinbutt, Entenbrust, Kalbsrücken zum Beispiel. In unserem Fall ließ Alice ihre Spitzenqualitäten zu gehaltvolleren Gerichten servieren. Wichtig ist ihr in diesem Zusammenhang eines: „Champagner ist ein Menu-Begleiter.“

Bruno Paillard ist ein kleines Champagnerhaus. Es werden jährlich zwischen 300 000 und 400 000 Flaschen produziert. Die Familie besitzt 25 Hektar Reben. Dazu kommen noch einmal so viele zugekaufte Trauben. Zu den „Grandes Marques“ gehört Bruno Paillard damit nicht, eher zu den marques prestgieuses. Es wird nur Most aus der ersten Pressung verwendet. 20 Prozent der Grundweine wird in (gebrauchten) Piècen vergoren. Die Dosage wird bei allen ihren Champagnern gering gehalten (unter 6 gr/l). Das Degorgierdatum wird grundsätzlich auf dem Rücketikett angegeben.

Hier einige Schlüssel-Champagner aus dem Hause Bruno Paillard:

Première Cuvée Extra Brut

Für einen Multi-Vintage-Champagner ist die Qualität hoch. Der Wein liegt fest im Mund mit einer perfekten Balance von Frucht- und Hefenoten. Zusammensetzung: 45% Pinot Noir, 33% Chardonnay, 22% Pinot Meunier. Der Wein lag drei Jahre auf der Hefe und verströmt feine Zitrus- und rote Beerenaromen, bevor die Brotkrustenoten sich bemerkbar machen. Preis: 58 Euro (www.weinhalle.de).

Blanc de Blancs Grand Cru Extra Brut

Reinsortig Chardonnay von der Côte de Blanc: präziser middle palate-Champagner von großer Intensität und guter Länge, viel Zitrus, dazu leicht mandelig mit cremigen Briochenoten und kalkig-mineralischem Einschlag. 4 Jahre auf der Hefe gelegen. Preis: 80 Euro (www.tesdorpf.de).

2014 Blanc de Blancs

Chardonnay war der Gewinner dieses cool climate-Jahrgangs, was man in diesem Spitzen-Champagner spürt: kompakter noch als der Non Vintage-Blanc de Blancs, riesig viel Spannung, sehr cremig (7 Jahre Hefelager), subtile Salzzitrone mit rauchig-mineralischer Note, milde Säure, seidig am Gaumen, nur 3,5 gr/l Dosage und 25% Réservewein. Spitzenchampagner. 105,95 Euro (www.caracteres.de).

2015 Assemblage „Élan“

Ein Champagner aus einem warmen Jahrgang, der die Stilistik deutlich beeinflusst hat: weich, warm, mit viel gelber und roter Frucht, aber weniger Grip als 2014, Kraft und Üppigkeit gehen auf Kosten der Spannung. 58% Pinot Noir, 42% Chardonnay, 7 Jahre Feinhefe. 105 Euro (www.geisels-weingalerie.de).

2008 Champagne Brut Rosé N.P.U.

Die Buchstaben stehen für Nec Plus Ultra – also Nichts geht darüber. Die Trauben (50% Pinot Noir, 50% Chardonnay) stammen aus den besten Parzellen der Grands Crus der Champagne, und der Jahrgang 2008 gilt als einer der besten der letzten 20 Jahre.  Vergoren zur Gänze in (gebrauchten) Piècen und nach der Assemblage 12 Jahre auf der Hefe gelagert: Nase von Blutorangen und Quitten, frischer Hefe und Cassis-Macarons, sehr frisch am Gaumen, druckvoll, seidig. Nur 2600 Flaschen wurden gefüllt. 319 Euro (https://masterwein.de).

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Autor

Jens Priewe
Jens Priewe
Jens Priewe hat viele Jahre als Politik- und Wirtschaftsjournalist gearbeitet, bevor er auf das Thema Wein umsattelte. Er schreibt Kolumnen für den Feinschmecker und für das schweizerische Weinmagazin Merum. Für den Weinkenner, dessen Gesellschafter er ist, hat er seit der Gründung über 200 Artikel beigesteuert. Außerdem ist er Verfasser mehrerer erfolgreicher Weinbücher (u. a. „Wein – die grosse Schule“, „Grundkurs Wein“). Er stammt aus Schleswig-Holstein, lebt aber seit fast 40 Jahren in München.

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