Alexandre Thienpont über Bordeaux 2011- Reben mit Sonnenbrand

Collage Etikett Chateau Certan und Alexandre Thienpont
Wie wird 2011 in Bordeaux? Die Hitzewelle im Mai und im Juni hat zumindest in Pomerol große Schäden verursacht. Vieux Château Certan hat 20 Prozent seiner Ernte durch Sonnenbrand verloren. Andrew Black sprach mit Alexandre Thienpont, Manager und Mitbesitzer, über die Aussichten, die frühe Lese, die Begrünung der Weinberge und natürlich über den Markt.

Alex­and­re Thien­pont ist ver­ant­wort­li­cher Lei­ter und Mit­be­sit­zer des Pomerol-Weinguts Vieux Châ­teau Cer­tan, das 2010 den bes­ten Wein sei­ner lan­gen Geschich­te erzeugt hat (gegrün­det 1770). Doch nun geht es dar­um, ob der Jahr­gang 2011 ein wür­di­ger Nach­fol­ger wird. Die Mög­lich­keit besteht. Doch Pro­gno­sen sind schwer zu stel­len. Denn einen Vege­ta­ti­ons­ver­lauf wie die­ses Jahr hat es in Bordceaux noch nicht gege­ben: eine nie dage­we­se­ne Hit­ze­wel­le im Früh­som­mer, die die Frucht­an­sät­ze vie­ler Reben regel­recht ver­brannt hat, dann ein unnor­mal küh­ler Juli.

Der Zweimeter-Mann Thien­pont (der auch für die Wein­ber­ge von Le Pin zustän­dig ist, das einem ande­ren Mit­glied der Thienpont-Familie gehört), legt sich immert­hin schon auf den Lese­zeit­punkt fest: Anfang Sep­tem­ber – so früh wie noch nie. Ob 2011 nur ein men­gen­mä­ßig gro­ßer oder auch ein qua­li­ta­tiv gro­ßer Jahr­gang wird, lässt sich noch nicht sagen. Im Gespräch mit dem in Bor­deaux leben­den Eng­län­der Andrew Black, das am 28. Juli statt­fand, ver­rät er immer­hin, dass der 2011er viel­leicht dem Jahr­gang 1983 ähneln werde …

Vieux Châ­teau Cer­tan (abge­kürzt VCC) bewirt­schaft 13,5 Hekt­ar auf dem­sel­ben Hoch­pla­teau, auf dem auch L’Evangile, Tro­t­a­noy und Laf­leur lie­gen. Die Wein­ber­ge sind zu 60% mit Mer­lot, zu 30% mit Caber­net Franc und zu 10% mit Caber­net Sau­vi­gnon bepflanzt. Ins­ge­samt wer­den 50.000 bis 60.000 Fla­schen erzeugt.

 

Andrew Black: Die Primeur-Kampagne 2010 ist been­det. Wie lief sie für Vieux Châ­teau Certan?
Alex­and­re Thien­pont: Echt gut.
Andrew Black: Haben Sie die gesam­te Ern­te verkauft?
Alex­and­re Thien­pont: Ja, wir haben alles ver­kauft. Wie immer.
Andrew Black: Ihr Eröff­nungs­preis war höher als 2009 …?
Alex­and­re Thien­pont: Ja, weil 2010 ein her­aus­ra­gen­der Jahr­gang und die Men­ge sehr klein war.
Andrew Black: Ver­lief die Kam­pa­gne unkom­pli­zier­ter als erwartet?
Alex­and­re Thien­pont: Für uns ver­lief sie ruhig, aber für Bor­deaux im All­ge­mei­nen war es eine har­te Kampagne.
Andrew Black: War­um unkom­pli­ziert für Sie?
Alex­and­re Thien­pont: Wir haben die Preis­fin­dung dem Markt über­las­sen. Ange­sichts der Qua­li­tät und der Men­ge lagen wir damit richtig.
Andrew Black: Es gab vie­le her­aus­ra­gen­de Wei­ne in 2010, aber nicht jeder hat sie so gut ver­kau­fen kön­nen wie Vieux Châ­teau Certan …
Alex­and­re Thien­pont: Vieux Châ­teau Cer­tan genießt heu­te einen sehr guten Ruf, und in 2010 haben wir mit unse­rem Wein eine Qua­li­tät erreicht, die wir mei­ner Mei­nung nach nicht über­stei­gen kön­nen. Der Jahr­gang ist im wört­li­chen Sin­ne herausragend.
Andrew Black: Das Jahr 2011 hat nach allem, was man hört, wenig ver­hei­ßungs­voll begon­nen. Die Tem­pe­ra­tu­ren stie­gen bereits im Früh­jahr auf 41 Grad Cel­si­us. Tei­le von Pome­rol sind durch die Hit­ze­wel­le hart getrof­fen worden.
Alex­and­re Thien­pont: Ja, so eine Hit­ze zu so einem frü­hen Zeit­punkt habe ich in mei­nen 26 Jah­ren auf Vieux Châ­teau Cer­tan noch nicht erlebt. Tei­le der Reben sind in der Son­ne regel­recht verbrannt.
Andrew Black: Wie stark ist Vieux Châ­teau Cer­tan betroffen?
Alex­and­re Thien­pont: Rund 20 Pro­zent unse­rer Reben sind ver­brannt, vor allen die Reben in den nach Wes­ten gele­ge­nen Weinbergen.
Andrew Black: Die­se Trau­ben sind wahr­schein­lich kom­plett verloren …?
Alex­and­re Thien­pont: Sie sind ver­brannt und aus­ge­trock­net. Wir muss­ten durch die Reben gehen und die ver­brann­ten Bee­ren her­aus­schnei­den: zum einen als Vor­sichts­maß­nah­me, um die gesun­den Trau­ben vor Anste­ckung zu schüt­zen, zum ande­ren aus psy­cho­lo­gi­schen Grün­den – es sah ein­fach nicht gut aus.

Betroffen vor allem Châteaux mit warmen Böden

Andrew Black: Eini­ge Win­zer hat­ten, bevor die gro­ße Hit­ze ein­setz­te, Netz­schwe­fel gespritzt gegen Oidi­um (Ech­ter Mehl­tau, Anm. d. Red.). Dadurch sol­len die Hit­ze­schä­den noch ver­stärkt wor­den sein. Ist das der Grund, wes­halb Vieux Châ­teau Cer­tan so stark von der Hit­ze betrof­fen ist?
Alex­and­re Thien­pont: Wir arbei­ten mit Netz­schwe­fel gegen Oidi­um, um nicht auf sys­te­mi­sche Mit­tel zurück­grei­fen zu müs­sen. Aber wir hat­ten bereits eini­ge Tage vor der Hit­ze­wel­le nicht mehr gespritzt. Die Schä­den wer­den nur dann ver­stärkt, wenn man ein paar Stun­den vor Ein­set­zen der Hit­ze Schwe­fel anwendet.
Andrew Black: Was ist dann der Grund für den Son­nen­brand Ihrer Reben?
Alex­and­re Thien­pont: Der Schwe­fel ist jeden­falls nicht Schuld. Es ist ein Pro­blem des Ter­ro­irs. Die wärms­ten, am frü­hes­ten rei­fen­den Ter­ro­irs, wie wir sie zum Bei­spiel auf Vieux Châ­teau Cer­tan haben, sind am gefähr­dets­ten. Der sich auf­hei­zen­de Kie­sel­stein­un­ter­grund schafft Tem­pe­ra­tu­ren wie in einem Ofen.

Begrünung der Weinberge wäre eine Hilfe gewesen

Andrew Black: Was hät­ten Sie tun kön­nen, um die Schä­den zu vermeiden?
Alex­and­re Thien­pont: Wir hät­ten die Reben­flu­re begrü­nen müs­sen. Wein­ber­ge mit Grün­saat zwi­schen den Reb­zei­len sind von der Hit­ze­wel­le nicht in Mit­lei­den­schaft gezo­gen worden.
Andrew Black: Auch nicht in den früh rei­fen­den Ter­ro­irs von Pomerol?
Alex­and­re Thien­pont: Auch dort nicht. Châ­teau Gom­bau­de Guil­lot, das orga­nisch arbei­tet und eine Grün­de­cke zwi­schen den Reben ange­legt hat, regis­triert kei­ne Sonnenschäden.
Andrew Black: Das heißt: Jene Nach­barn, die wie Sie zwi­schen den Zei­len pflü­gen, haben die glei­chen Pro­ble­me wie Vieux Châ­teau Certan?
Alex­and­re Thien­pont: Ja, außer Pétrus, so weit ich weiß. Pétrus hat etwas küh­le­re Böden.
Andrew Black: Als die Hit­ze­wel­le vor­bei war, hat es ziem­lich viel geregnet …
Alex­and­re Thien­pont: 25 Mil­li­me­ter. Aber nicht alles auf ein­mal, son­dern in Schü­ben, so dass die Reben sich zwi­schen­durch immer wie­der vom Was­ser­stress erho­len konnten.
Andrew Black: Wie sind jetzt Ihre Ein­schät­zun­gen für den Jahr­gang 2011?
Alex­and­re Thien­pont: Schwie­rig zu sagen. Einen sol­chen Son­nen­brand wie im Juni habe ich noch nie erlebt. Ich weiß also nicht, wie die Reben auf einen so frü­hen Hit­zestress reagie­ren. Der Juli war dann küh­ler als nor­mal. Ins­ge­samt ein unge­wöhn­li­cher Vege­ta­ti­ons­ver­lauf. Wenn ich einen Ver­gleich her­an­zie­hen müß­te, wür­de ich sagen: ähn­lich wie 1983.
Andrew Black: Viel hängt vom Wet­ter im August ab. „Août fait le moût“ sagt man in Bor­deaux (frei über­setzt: der August bringt die Oechs­le, Anm. der Red.). Kann man von einer sehr frü­hen Lese ausgehen?

Vegetationsvorsprung von drei Wochen

Alex­and­re Thien­pont: Wir hat­ten einen Vege­ta­ti­ons­vor­sprung von drei Wochen, der durch die küh­le Peri­ode wie­der etwas zusam­men­ge­schmol­zen ist. Aber dann hat der Regen wäh­rend der Ver­ai­son (Blau­fär­bung der Trau­ben, Anm. d. Red.) wie­der den alten Abstand her­ge­stellt. Ich wür­de also sagen, dass wir immer noch drei Wochen Vor­sprung haben.
Andrew Black: Wann wer­den Sie dann mit der Ern­te beginnen?
Alex­and­re Thien­pont: Gleich Anfang September.
Andrew Black: Wird die Men­ge gerin­ger aus­fal­len durch die Hitzewelle?
Alex­and­re Thien­pont: Nein, der Behang ist der­zeit üppig. Die Bee­ren sind dick. Wir sind dabei aus­zu­dün­nen, um ein Gleich­ge­wicht her­zu­stel­len und um den Trau­ben Luft zum Atmen zu geben.
Andrew Black: Frü­he Lese bedeu­tet gewöhn­lich einen guten Jahr­gang, bei der Sor­te Caber­net Franc sogar einen sehr guten Jahrgang …
Alex­and­re Thien­pont: Die Aus­sich­ten sind zwei­fel­los gut. Ende August wer­den wir wis­sen, ob wir nur einen rei­chen oder auch einen guten Jahr­gang bekommen.

Der 2010 Vieux Câteau Cer­tan ist im Ver­gleich zu qua­li­ta­tiv ähn­li­chen Pomerol-Weinen preis­wert. In der Sub­skrip­ti­on kos­tet er ab 235 Euro/Flasche (inkl. MwSt).

Bezug:  www.alpinawein.de, www.aux-fins-gourmet.de, www.bacchus-vinothek.de, www.c-und-d.de, www.gute-weine.de, www.pinard.de, www.ungerweine.de, www.weinco.at u.a.

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