Aimé Guibert war Lederfabrikant in Millau, einem Provinzstädtchen in der der südfranzösischen Region Midi-Pyrénées. 1970 erwarb er einen alten, verlassenen Bauernhof in Aninane, einem Dörfchen nordwestlich von Montpellier. Der Bauernhof hieß Mas de Daumas Gassac. Guibert restaurierte ihn und zog mit seiner Frau dorthin. Durch Zufall erfuhr er von einem befreundeten Geologie-Professor der Universität Bordeaux, dass das Land um den Hof herum auf wertvollem Grund lag.
Dieser 20 Meter tiefe, aus vulkanischem Feinsand bestehende Untergrund sei, teilte ihm der Professor mit, für den Weinbau besonders geeignet – quasi ein Grand Cru. Daraufhin bepflanzte Guibert sein Land mit Cabernet-Reben, die er aus Bordeaux bezog – eine Provokation in der damaligen Zeit. Denn die Rotweine des Hérault werden traditionell aus Carignan, Mourvèdre, Cinsault, Grenache, Syrah erzeugt.
Erster Grand Cru des Languedoc
Der Wein geriet erschreckend gut. Gleich der erste Jahrgang des Mas de Daumas Gassac (bestehend aus 80 Prozent Cabernet Sauvignon, der Rest Malbec, Syrah, Merlot, Cabernet franc, Tannat und fünf andere Sorten) schlug in einer Blindverkostung mehrere große Bordeaux-Weine. „Ich habe bei der Geburt eines neuen Grand Cru assistiert“, bekannte Émile Peynaud, der berühmte Önologie-Professor aus Bordeaux, der Guibert unterstützt hatte. Der Weinführer Gault Millau sprach vom „Lafite des Languedoc“, auch weil der Wein mit 60 Francs für damalige Verhältnisse unvorstellbar teuer war (20 Mark).
Den Ruhm des Mas Daumas Gassac mehrte schließlich auch der Umstand, dass dieser als einfacher Vin de Pays de l’Hérault auf den Markt kam, weil er nicht aus den vorgeschriebenen Rebsorten der AC Hérault gekeltert war. Seitdem sonnt er sich auch noch im Ruf des teuersten Landweins Frankreichs (zusammen mit Eloi Durrbach von der Domaine du Trévallon in der Provence).
Die Vertreibung des Robert Mondavi
Die Sympathien seiner Landsleute erwarb sich der knorrige Franzose durch seinen zählen Kampf gegen den Amerikaner Robert Mondavi. Dieser wollte, wie Guibert meinte, im Languedoc eine „industrialisierte Weinproduktion im Weltmaßstab“ aufziehen. Dafür setzte Jonathan Nossiter in dem Film „Mondovino“ dem knorrigen Franzosen später ein Denkmal.
Soweit die mehr oder minder bekannte Vorgeschichte des Monsieur Guibert. Weniger bekannt ist, dass er auch mit in einem weiteren Projekt zum Schutz der kleinteiligen Weinlandschaft des Languedoc Aufsehen erregt hat: mit der Weinlinie Moulin de Gassac. Sie entstand 1991, als er davon erfuhr, dass in der Nachbarschaft alte Weinberge gerodet werden sollten. Sie waren vor allem mit der als Massenträger verschrienen Rebsorte Carignan bestockt. Rodungsprämien der EU machten den örtlichen Weinbauern die Maßnahme schmackhaft.
Guibert dirigiert alle
Guibert wollte den Verlust an Traditionen und Eigenständigkeit verhindern. Er bot den Mitgliedern von zwei Kooperativen langfristige Abnahmeverträge an, allerdings unter der Voraussetzung, dass sie sich streng an seine Qualitätsvorgaben und ökologischen Beschränkungen halten, die er in einem Pflichtenheft minutiös festlegte:
• jeder Winzer muss sich um die eingebrachten Parzellen persönlich kümmern,
• Umfang und Art der Bodenbearbeitung sind festgelegt,
• die Lese erfolgt parzellenweise und nach dem Alter der mindestens 30-jährigen Reben,
• der Lesezeitpunkt wird durch Guibert und seine Söhne festgelegt,
• Ausbau, Assemblage und Abfüllung erfolgen ebenfalls durch sie und ihr Team.
Das Angebot wurde angenommen. Die neue Linie, die er aus der Taufe hob, hatte einen überwältigenden Erfolg. Mittlerweile werden insgesamt 1,5 Millionen Flaschen gefüllt – von eher einfachen Tischweinen und sortenreinen Abfüllungen bis zu anspruchsvollen Cuvées. Bei den Weißweinen setzt Guibert dabei auf Sauvignon blanc, Grenache, Clairette, Viognier, Marsanne und Chardonnay, während bei den Roten neben Carignan vor allem Syrah, Grenache, Cabernet Sauvignon, Merlot in die verschiedenen Cuvées eingehen.
Die Familie ist um fünf Söhne angewachsen
Das macht deutlich: Traditionalist ist Guibert nur zu einem Teil. Die alten Carignan-Reben behandelt er als wertvolles Erbe der Region. Hinzu kommen aber auch seine Neugier und die Bereitschaft zum Experiment. Auch nicht unwichtig: Seine Familie ist nach dem Umzug auf Mas de Daumas Gassac um fünf Söhne reicher geworden, von denen drei mittlerweile erwachsen sind und den „Alten“ tatkräftig unterstützen. Die Weinproduktion, auch die von Moulin de Gassac, bleibt also in Familienhand.
Die Moulin de Gassac-Weine halten preislich einen deutlichen Abstand zum Flaggschiff des Guts, dessen Preis mittlerweile auf rund 32 Euro gestiegen ist. Angesichts von Preisen zwischen 5,90 Euro für den „Classic“ und 12 Euro für den „Terra“ ab Weingut bieten sie einen soliden, im Fall des „Sol du Landoc“ und des „Mazet de Levant“ einen beachtlichen Trinkgenuss.
Von den besseren Weinen werden wegen der parzellären Bindung jeweils kaum mehr als 30.000 Flaschen hergestellt, beim „Sol du Landoc“ nur 15.000, beim „Terra“ gar nur 10.000. Das heißt, dass es bei den Moulin de Gassac-Weinen nicht um Massenproduktion, sondern um Traditionspflege und Ernstnehmen der Terroir-Philosophie geht – auch wenn die neue Linie betriebswirtschaftlich schon längst zum wichtigsten Umsatzträger geworden ist.
Schöner Artikel, der auf die weniger bekannten Weine des Gutes verweist.
In dem Segment haben die Guiberts aber inzwischen ebensoviel Konkurrenz wie bei ihren großen Weinen in weiß und rot. Selbst im Dorf Aniane und den unmittelbaren Nachbardörfern, wo sich seit Jahren eine bunte Riege kleiner Winzer mit hohem Qualitätsanspruch tummelt, die es unbedingt zu entdecken gilt.
Auch der teuerste Vin de Pays im Midi dürfte seit Jahren aber ein anderer sein, der unmittelbare Nachbar Laurent Vaillé bringt seinen Domaine de la Grange des Péres in weiß wie rot deutlich teurer raus und rechtfertigt dies aber durch eine ebenso noch deutlich höhere Qualität.
Eins aber wird Aimé Guibert nicht zu nehmen sein – er hat den Anstoß einer qualitatitiven Revolution im Midi gegeben…