Priorat – Von Mönchen und Münchnern

Dominik Huber in seiner Kellerei in Torroja. ©Thomas Götz
Aus der bergigen Region im Hinterland von Tarragona kommen berühmte Rotweine. Thomas Götz vom Blog Spaniens Weinwelten hat sich vor Ort umgesehen.

Es gibt Wein­land­schaf­ten, die ein­zig­ar­tig sind. Das Prio­rat mit sei­nen schrof­fen Berg­käm­men, den Schie­fer­bö­den und alten Reben in Steil­hän­gen gehört zu die­sen unver­gleich­li­chen, gera­de­zu magi­schen Gebieten.

In sei­nen Bann zog das Prio­rat auch Domi­nik Huber. Der gebür­ti­ge Münch­ner kam in den 1990ern, erfüllt vom medi­ter­ra­nen Lebens­ge­fühl, nach Kata­lo­ni­en. Bei einem Prak­ti­kum im mitt­ler­wei­le legen­dä­ren Wein­gut Mas Mar­ti­net lern­te er den süd­afri­ka­ni­schen Win­zer Eben Sadie ken­nen. Die bei­den freun­de­ten sich an und grün­de­ten Ter­ro­ir al Limit. Genau zwan­zig Jah­re ist das her. Ihr ers­ter Jahr­gang umfass­te gera­de ein­mal 300 Fla­schen des Weins Dits del Ter­ra.

Inzwi­schen liegt die Pro­duk­ti­on bei jähr­lich 75.000 Fla­schen. Wirk­lich viel ist das immer noch nicht. Im Prio­rat gehe es ja auch nicht um Mas­se, viel­mehr kom­me es auf eine hohe Qua­li­tät an, erwi­dert Domi­nik Huber, wäh­rend wir in sei­ner Kel­le­rei in der Ort­schaft Tor­ro­ja eini­ge Fla­schen ver­kos­ten. Schlicht­weg fes­selnd sind die küh­le Ele­ganz eines Arbos­sar, die pure Mine­ra­li­tät von Les Tos­ses und die zar­te Sinn­lich­keit von Les Manyes, ein Par­zel­len­wein, den Parker-Kritiker Luis Gut­ier­rez mit 100 Punk­ten (Jg. 2016) adelte.

„Ich war stets skep­tisch gegen­über dem klas­si­schen Priorat-Stil, weil er nicht zur Küche passt.“ (Domi­nik Huber)

Domi­nik Huber hat nie Öno­lo­gie stu­diert, son­dern nach dem Mot­to lear­ning by doing agiert. Bevor er im Prio­rat für Furo­re sorg­te, betrieb er sie­ben Jah­re die Münch­ner Sup­pen­kü­che. Er sei ein Food­freak, sagt Huber von sich, und gebe viel Geld in Restau­rants aus. Das Essen sei in den letz­ten zwan­zig Jah­ren leich­ter gewor­den, bemerkt er. So ver­wen­de­ten die Köche mehr Gemü­se und Fisch und weni­ger Fleisch. Die But­ter­sauce sei eben­falls out.

Domi­nik Huber hat vor 20 Jah­ren Ter­ro­ir al Limit aus der Tau­fe geho­ben. © Tho­mas Götz

Die Wei­ne des Prio­rat haben sich aus Hubers Sicht hin­ge­gen kaum ver­än­dert: „Das sind oft­mals noch die sel­ben Bret­ter wie frü­her – über­reif, zu stark extra­hiert und zu hol­zig.“ Mit Kel­ler­meis­te­rin Tat­ja­na Pece­ric strebt er einen fri­sche­ren und schlan­ke­ren Wein­stil an, der zur zeit­ge­mä­ßen Küche passt. Sie arbei­ten bio­dy­na­misch im Wein­berg und ern­ten die Trau­ben frü­her als die Kol­le­gen im Gebiet. Im Kel­ler ver­gä­ren sie die gan­zen Trau­ben mit Stie­len und pres­sen bereits nach sie­ben Tagen. Einen Holz­kon­takt lehnt Huber bei sei­nen Rot­wei­nen inzwi­schen völ­lig ab, weil er fin­det, dass es den Geschmack des Weins zu stark beein­flusst. Ergo hat er alle Fäs­ser aus­sor­tiert – bei der Wein­be­rei­tung kom­men ein­zig Beton­tanks zum Ein­satz. „Zement ist neu­tra­ler und bringt Ter­ro­ir kon­kre­ter zum Aus­druck“, zeigt sich Domi­nik Huber über­zeugt wie kom­pro­miss­los. Das Ergeb­nis spricht jeden­falls für sich: Ter­ro­ir al Limit ste­hen für unge­schmink­te Wei­ne von gro­ßer Klar­heit und Reintönigkeit.

„Ich weiß, dass es nicht tren­dy ist, neu­es fran­zö­si­sches Holz zu ver­wen­den.“ (Valen­ti Llagostera)

Orts­wech­sel: Mit Valen­ti Lla­go­s­te­ra vom Wein­gut Mas Doix bege­he ich einen 1902 gepflanz­ten Wein­berg, des­sen Cariñena-Reben auf purem Schie­fer wach­sen. Bis zu 18 Meter tief dringt ihr Wur­zel­werk durch die Rit­zen des brü­chi­gen Gesteins auf der Suche nach Feuch­tig­keit und Nähr­stof­fen. Im Schnitt mage­re 300 Gramm Trau­ben pro­du­zie­ren die­se 119 Jah­re alten Buschre­ben, weiß der Win­zer zu berich­ten. Tat­säch­lich hän­gen ein paar Wochen vor der Lese nur weni­ge Büschel an den knor­ri­gen Stö­cken. Zu den mini­ma­len Erträ­gen kommt ein hoher Arbeits­auf­wand: Die schwer zugäng­li­che Steil­la­ge wird bei­spiels­wei­se mit Pfer­den gepflügt.

Valen­ti Lla­go­s­te­ra. © Tho­mas Götz

Der Wein aus die­ser Lage heißt 1902 Carignan Tos­sal d’en Bou. Neben L’Ermita von Alva­ro Pala­ci­os und Mas de la Rosa von Vall Llach ist es das ein­zi­ge Gewächs mit Grand-Cru-Status in der Appel­la­ti­on DOQ Prio­rat. „Die­ser Wein erdet. Die Nase ist purer Stein“, kom­men­tiert Lla­go­s­te­ra, als wir spä­ter im schi­cken Wein­gut mit Blick auf die Monts­ant­ber­ge den super­tie­fen 2017er-Jahrgang degustieren.

Mas Doix scheu­en sich nicht vor dem Aus­bau in neu­en fran­zö­si­schen Bar­ri­ques. „Die Trau­ben aus den alten Reben sind der­art kon­zen­triert, dass sie dem Holz stand­hal­ten kön­nen“, erklärt Valen­ti Lla­go­s­te­ra. „Wir erhal­ten mehr Struk­tur und Rei­fe­po­ten­zi­al.“ Zum Beweis öff­net er eine Fla­sche des Flagg­schiff­weins Doix Cos­ters de Vinyes Vel­les, Jahr­gang 2002. Cos­ters ist das kata­la­ni­sche Wort für Steil­hang, Vinyes Vel­les für alte Wein­ber­ge. Die Cuvée, etwa zur Hälf­te aus Cari­ñe­na und Gar­nacha, zeigt eine wun­der­voll ent­wi­ckel­te Nase von rei­fen Früch­ten und Kräu­tern. Der Wein ist tip­top frisch, hat viel Span­nung und dürf­te auch noch in zehn Jah­ren ein Genuss sein.

© Tho­mas Götz

Gleich­wohl weht durch den Kel­ler von Mas Doix ein Hauch von Ver­än­de­rung: So sind bereits eini­ge grö­ße­re Holz­fu­der und Beton­tanks zu sehen. Zudem erzeugt das Wein­gut seit 2018 inter­es­san­te Weiß­wei­ne aus Gar­nacha Blan­ca, Maca­beo und Pedro Ximé­nez. Letz­te­re PX-Traube kam übri­gens im 19. Jahr­hun­dert mit anda­lu­si­schen Arbei­tern, die in Minen im süd­li­chen Kata­lo­ni­en schuf­te­ten, ins Priorat.

„Ursprüng­lich haben die Mön­che die Gar­nacha auf leh­mi­gen Böden ange­baut“ (Paul Kendall) 

Noch­mals frü­her kamen Kar­täu­ser­mön­che aus der Pro­vence. Sie sie­del­ten sich im 12. Jahr­hun­dert in der iso­lier­ten Berg­re­gi­on an und grün­de­ten das „Prio­rat von Escala­dei“. Am Fuße des Monts­ant­ge­bir­ges errich­te­ten sie ihr Klos­ter, und eben­falls began­nen sie Wein­ber­ge anzulegen.

In einem Buch von 1629 gehen die Mön­che prä­zi­se auf ihre Lagen und Reb­sor­ten ein. Für Gar­nacha und Monast­rell emp­fiehlt der Autor die küh­le­ren, leh­mi­gen Böden an den Hän­gen der Monts­ant­ber­ge, auf denen die Trau­ben lang­sa­mer und gleich­mä­ßi­ger rei­fen. Vie­le die­ser Wein­la­gen wer­den heu­te vom Wein­gut Sca­la Dei bestellt, des­sen Kel­ler sich außer­dem in den ehr­wür­di­gen Gebäu­den des eins­ti­gen Klos­ters befinden.

„Der Drei­klang unse­res Ter­ro­irs lau­tet Hoch­la­ge, Gar­nacha und Lehm“, erklärt Paul Kend­all. Der gelern­te Som­me­lier und Öno­lo­ge ist in Haupt­funk­ti­on für Besu­che zustän­dig und so etwas wie ein wan­deln­des Lexi­kon. Von ihm erfah­re ich, dass das Klos­ter im Jahr 1835 von der spa­ni­schen Kro­ne, die an Geld­knapp­heit litt, ent­eig­net wur­de. 1842 kauf­ten vier kata­la­ni­sche Fami­li­en das Anwe­sen und began­nen sepa­rat Wei­ne zu kel­tern. 1973 schlos­sen sich drei der Fami­li­en zu Sca­la Dei zusam­men. Im Jahr dar­auf füll­ten sie erst­mals einen Wein in Fla­schen ab – ein Novum für das Gebiet, doch ein­schlä­gi­gen Erfolg hat­ten sie damit nicht.

© Cel­lers de Sca­la Dei

Berühmt wur­de das Prio­rat näm­lich erst Anfang der 1990er durch eine Grup­pe von Win­zern um Rene Bar­bier und Alva­ro Pala­ci­os. Sie pflanz­ten fran­zö­si­sche Reben wie Caber­net Sau­vi­gnon und Syrah, die sie mit Gar­nacha als Haupt­sor­te ver­schnit­ten. Fer­ner ent­rapp­ten sie die Trau­ben, ver­gär­ten in Stahl­tanks und reif­ten ihre Wei­ne in neu­en fran­zö­si­schen Bar­ri­ques. Sca­la Dei imi­tier­te die­se popu­lä­re wie erfolg­rei­che Metho­de und „dabei ver­lo­ren wir unse­re Iden­ti­tät“, resü­miert Paul Kendall.

Als 2007 der ange­se­he­ne Öno­lo­ge Ricard Rofes das Ruder über­nahm, gab er das Mot­to „Zurück in die Zukunft“ aus. Sca­la Dei wand­ten sich ihrer ursprüng­li­chen Wein­be­rei­tung der 70er-Jahre zu. Die Trau­ben ver­gä­ren sie seit­her wie­der mit den Rap­pen und in Beton­tanks. Eben­so erfolgt der Aus­bau der Wei­ne in grö­ße­ren, älte­ren Holz­fäs­sern und in Beton. Aus ihren hoch gele­ge­nen Wein­ber­gen, teils bis 800 Meter, erhal­ten sie Lese­gut mit einem Tick Extra­fri­sche, das in hoch­fei­nen und indi­vi­du­el­len Wei­nen wie Sant Anto­ni und Mas­deu resul­tiert. Die Erben der Mön­che und ein Münch­ner zei­gen: Das Prio­rat ist in Bewe­gung und hat vie­le Facet­ten und Sti­le zu bieten.

© Cel­lers de Sca­la Dei

Priorat: Ausgewählte Weine

Ter­ro­ir al Limit – 2017 Pedra de Guix

Ein­zig sei­nen Weiß­wein Pedra de Guix baut Domi­nik Huber noch im Holz­fu­der aus. Die Cuvée aus Gar­nacha Blan­ca, Maca­beo und PX hat einen oxi­da­tiv­en Touch und erin­nert an Wei­ne aus Jerez. Eben­so unge­wöhn­lich wie spannend.

Preis: Um 60 Euro

Bezug: www.gute-weine.de

Ter­ro­ir al Limit – 2019 Arbossar

Für ein medi­ter­ra­nes Gebiet wie Prio­rat ist dies ein erstaun­lich kühl anmu­ten­der Wein. Und für die einst als rus­ti­kal gel­ten­de Cariñena-Traube ein beein­dru­ckend ele­gan­tes Gewächs, so klar wie ein Gebirgs­quell. Aus einer Ein­zel­la­ge mit alten Reben, ein Nord­hang mit Schiefer- und Granitböden.

Preis: Um 60 Euro
Bezug: www.gute-weine.de

Mas Doix – 2017 Salanques

Blend aus Gar­nacha, Cari­ñe­na und ein wenig Syrah. Purer Schie­fer­bo­den. Die­ser Rot­wein ist kraft­voll, ohne schwer zu sein, kon­zen­triert und zugleich frisch. Er hat fei­ne Tan­ni­ne, eine sam­ti­ge Tex­tur und her­vor­ra­gen­de Balan­ce. Holz (14 Mona­te Bar­ri­que) und Alko­hol (15%) sind sehr gut ein­ge­bun­den. Klas­si­sches Prio­rat at its best.

Preis: Um 35 Euro

Bezug: www.vinopolis.de

Mas Doix – 2020 Murmuri

Ein Weiß­wein zu 95 Pro­zent aus Gar­nacha Blan­ca. Die Wein­ber­ge lie­gen in nörd­li­cher Aus­rich­tung nahe der Ort­schaft Pobo­le­da, die im Ver­gleich zu ande­ren Dör­fern im Prio­rat über ein küh­le­res Mikro­kli­ma ver­fügt. Ent­spre­chend frisch und straff kommt Murm­u­ri daher; dazu mit fei­ner Frucht- und Kräuteraromatik.

Preis: Um 22 Euro

Bezug: www.vinopolis.de

Sca­la Dei – 2016 Masdeu

Ein Lagen­wein, der die Gar­nacha von ihrer fili­gra­nen und flo­ra­len Sei­te zeigt. Er hat eine groß­ar­ti­ge Fri­sche und Rein­heit, ist superb struk­tu­riert, ohne von Tan­nin domi­niert zu sein. Im Stil eher Bur­gund als Prio­rat. Der Wein­berg liegt auf 690 bis 800 Metern Höhe in den Monts­ant­ber­gen und besteht – eben­falls unty­pisch fürs Prio­rat – aus Lehm- und Kalksteinböden.

Preis: Um 85 Euro

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