Der Barolo, der aus der Versenkung kommt: Vite Colte

Vite Colte st
Guter Barolo ist nie billig. Aber er muss auch nicht immer so teuer sein wie der von Aldo Conterno, den wir vor zwei Wochen vorgestellt hatten. Hier das Beispiel eines Barolo, der neu, aber preiswert und gut zugleich ist – sehr gut sogar.

Der Baro­lo, um den es hier geht, kommt aus der Kel­le­rei Vite Col­te. Sie befin­det sich ein paar Kilo­me­ter vor dem Dorf Baro­lo. Eine moder­ne Kel­le­rei mit Rund­dach und baro­lo­far­be­nem Gemäu­er, die erst im Jah­re 2000 eröff­net wur­de und tief ver­sun­ken in den Hügeln um das berühm­te Dorf liegt.

Piero Quadrumolo – so heißt der Ideengeber

Piero Quadrumolo
Pie­ro Quadrumolo

Ihr Boss heißt Pie­ro Qua­dru­mo­lo. Ein typi­scher Pie­mon­te­se: nett und ver­bind­lich nach außen, aber mit glas­kla­ren Vor­stel­lun­gen und dem eiser­nem Wil­len, die­se kon­se­quent in die Rea­li­tät umzu­set­zen. Sei­ne Vor­stel­lung war und ist es, einen gro­ßen Baro­lo zu schaf­fen. Wer Qua­dru­mo­lo kennt, ver­steht, wes­halb die Pie­mon­te­sen als die „Preu­ßen Ita­li­ens“ gel­ten. So wie unter ihrer Füh­rung vor 150 Jah­ren die zahl­lo­sen König­rei­che, Her­zog­tü­mer, Fürs­ten­tü­mer auf dem ita­lie­ni­schen Stie­fel zu einem ein­heit­li­chen Staat zusam­men­ge­fügt wur­den und ein geein­tes Ita­li­en ent­stand, so unbe­irr­bar sind sie in nicht-politischen Ange­le­gen­hei­ten eben­falls. Etwa beim Wein.

Die Trauben kommen von beseelten Weinbauern

Vite-Colte-Winzer mit reifer Nebbiolo-Traube
Vite-Colte-Winzer mit rei­fer Nebbiolo-Traube

Vite Col­te hat es geschafft, mit einer Hand­voll klei­ner, aber beseel­ter Wein­bau­ern aus der Lang­he (wie die Hügel­zo­ne heißt, aus der der Baro­lo kommt) Ver­trä­ge zu schlie­ßen über die Lie­fe­rung von Trau­ben. Das allein ist – zuge­ge­ben – noch nicht unge­wöhn­lich. Aber sei­ne Wein­bau­ern haben Reben­be­sitz in den bes­ten Lagen von Baro­lo, und sie sind bestrebt, aus ihren Trau­ben einen guten Baro­lo zu machen. Vite Col­te hat die Ver­trä­ge mit ihnen mit Vor­ga­ben ver­bun­den, wie vie­le Trau­ben sie ern­ten dür­fen, wie die Wein­ber­ge bear­bei­tet wer­den, ob und wann aus­ge­dünnt wird, wann sie Kup­fer und Schwe­fel sprit­zen. So etwas machen Kel­le­rei­en nur, wenn sie ernst­haft vor­ha­ben, Spit­zen­wei­ne zu erzeu­gen. Vite Col­te ging sogar noch wei­ter. Die Kel­le­rei kon­trol­liert, ob die Vor­ga­ben ein­ge­hal­ten wer­den. Das klingt banal, ist aber kei­nes­wegs selbst­ver­ständ­lich. Er ist ein boden­stän­di­ger Mensch, der nicht nur das Land, son­dern auch die Leu­te kennt. Also hat er eigens einen Agro­no­men ein­ge­stellt, der die­se Kon­trol­len vom Aus­trieb der Reben bis zur Lese der Trau­ben vornimmt.

Barolo, die aus der Versenkung kamen

Vite-Colte-Winzer beim Aus­dün­nen der Trauben

Das Resul­tat? Ein Baro­lo der  Spit­zen­klas­se. Duf­tig in der Nase mit einem Bou­quet von dunk­len Bee­ren, Süß­la­kritz, Herbst­laub, dahin­ter ein robus­ter Kör­per mit fei­nem, rei­fen Tan­nin und leben­di­ger Säu­re, am Gau­men druck­voll und mund­fül­lend, aus­ge­wo­gen und in sich stim­mig. Essen­ze heißt er. Schon 2010 und 2011, den ers­ten Jahr­gän­gen, die auf dem Markt erschie­nen waren, war Vite Col­te ein gro­ßer Wurf gelun­gen. Sie wur­den auch von jenen Kri­ti­kern, die Wei­nen aus Kel­le­rei­en skep­tisch gegen­über ste­hen, mit hohen Beno­tun­gen belohnt: Baro­lo, die aus der Ver­sen­kung kamen.

Auch der 2013er, der jetzt frei­ge­ge­ben wur­de, wird ganz tra­di­tio­nell erzeugt: stand lan­ge auf der Mai­sche und wur­de spä­ter in gro­ßen Holz­fäs­sern aus sla­wo­ni­scher Eiche aus­ge­baut. Der Essen­ze ist den­noch kein tra­di­tio­nel­ler Baro­lo, son­dern ein sau­be­rer, geschlif­fe­ner Wein, der wäh­rend der zwei- bis zwei­ein­halb­jäh­ri­gen Aus­bau­zeit sei­ne Fri­sche nicht ver­lo­ren hat.

3 Gläser im Gambero Rosso

Kellerei Vite Colte
Kel­le­rei Vite Colte

Der Gam­be­ro Rosso, der wich­tigs­ten ita­lie­ni­sche Wein­füh­rer, hat bei­den, dem 2012er und dem 2013er, 3 Glä­ser ver­lie­hen – die höchs­te Wer­tung, die ein Wein in die­sem Füh­rer erfah­ren kann. Mehr noch: Unter allen 3-Gläser-Barolo sind sie die mit Abstand preis­wer­tes­ten. Auch von „Doc­tor Wine“ – Pseud­onym des wohl kennt­nis­reichs­ten ita­lie­ni­schen Wein­jour­na­lis­ten Danie­le Cer­ni­li – hat der Wein 91 Punk­te bekom­men, eben­so bei dem ame­ri­ka­ni­schen Wein­tes­ter James Suck­ling.  Der Plan ist aufgegangen.

2012 und 2013 waren übri­gens sehr gute Jahr­gän­ge im Pie­mont. Das heißt: Der Baro­lo Essen­ze besitzt reich­lich Tan­nin, und die­ses Tan­nin ist reif. Noch ist die­ser Baro­lo leicht pel­zig am Gau­men. Aber er ist nicht schnei­dend oder tro­cken wie bei so vie­len Billig-Barolos, die aus Rest­trau­ben erzeugt wer­den. Wer den Baro­lo Essen­ze dekan­tiert und über Nacht in der Karaf­fe ste­hen lässt, kann ihn am nächs­ten Tag schon mit gro­ßem Genuss antrinken.

Der Wein


2012/13 Baro­lo Essen­ze | Vite Col­te
Preis: 27,90 Euro
Bezug: www.superiore.de


6 Kommentare

    • Der Arti­kel bleibt so ste­hen, auch ohne Bezah­lung durch die Genos­sen­schaft. Übri­gens fin­den Sie den Wein auf den Wein­kar­ten der bes­ten Restau­rants im Pie­mont, wie ich mich letz­te Woche ver­si­chern konn­te. Viel­leicht soll­ten Sie ihn noch ein­mal nachprobieren.

  • Guten Tag, Herr Priewe,
    Freun­de durch­strei­fen der­zeit das Pie­mont; ich habe sie auf Ihren Arti­kel auf­merk­sam gemacht, hier ist ihr Bericht:

    „Also für mich sieht das Pho­to nach den Gebäu­den von Terre da Vino aus, aber wir fah­ren da mor­gen mal vor­bei. Terre da Vino ist ein so gro­ßer, seit Jah­ren bekann­ter Laden, das wäre schon…

    Und dar­auf fol­gend ging es zu „Vite Col­te“, – oh mein Gott – das IST Terre da Vino und „die­ser neue, muti­ge, qua­li­täts­ver­lieb­te Unter­neh­mer Pie­ro Qua­dru­mu­lo“ ist der Prä­si­dent die­ser win­zi­gen, inno­va­ti­ven Win­zer­ver­ei­ni­gung (2.500 Win­zer, 5.000 Hekt­ar), die es tat­säch­lich voll­bracht haben, mit ihrer neu­en Mar­ke­ting­li­nie „Vite Col­te“ im Wein­füh­rer „Gam­be­ro Rosso“ 3 Glä­ser abzu­sah­nen. Mutig, gre­at, ganz neue Qua­li­täts­di­men­si­on, wie haben die das nur geschafft?

    Aber was sagen wir denn nach der hoch­prei­sig ver­an­lag­ten Ver­kos­tung (ja, die wol­len Geld sehen, wenn man das Zeug pro­bie­ren will) von Lang­he Neb­bio­lo ’15 (für 0,05 l € 2,50) und Baro­lo „Essen­ze“ ’12 (für 0,05l € 3,50 – die holen aus einer Fla­sche tat­säch­lich 50 € an Verkostungsgebühr!)?
    Der Neb­bio­lo ist, wie man das für die „Basis­qua­li­tät“ aus die­sem Laden kennt, untrink­bar (15% Bar­be­ra und in garan­tiert neu­em Bar­ri­que gela­gert) und der „Essen­ze“ ist ganz ordent­lich, ein biss­chen lang­wei­lig, weit ent­fernt von einem gro­ßen Wein die­ser Regi­on, eben die Qua­li­tät, die der Laden für sei­ne Spit­zen­pro­duk­te schon seit län­ge­rem in die­ser Preis­stu­fe erreicht hat.“

    • Dan­ke für Ihren inter­es­san­ten Kom­men­tar. Es stimmt, dass Terre da Vino hin­ter Vite Col­te steht. Und es stimmt auch, dass die Pro­duk­te von Terre da Vino in den letz­ten Jah­ren teil­wei­se unter­ir­disch waren. Viel­leicht sind sie es noch immer. Ich habe auf­ge­hört, sie jedes Jahr zu ver­kos­ten. Aber mit Vite Col­te ist den Genos­sen ein sehr guter Wurf gelun­gen. Der Wein liegt mei­len­weit über der gewöhn­li­chen Qua­li­tät der Terre da Vino-Barolos. Inso­fern ist es ver­ständ­lich und logisch, dass sie einen neu­en Namen für die­sen Baro­lo erfun­den haben. Die 3 Glä­ser des Gam­be­ro Rosso will ich in die­sem Zusam­men­hang nicht kom­men­tie­ren. Aber dass der Baro­lo Essen­ze lang­wei­lig ist, fin­de ich über­haupt nicht. Natür­lich ist er nicht auf dem Niveau der Con­ter­no & Co. Aber die Leu­te von Terre da Vino haben gro­ße Anstren­gun­gen gemacht, und her­aus­ge­kom­men ist end­lich mal etwas, das man vor­zei­gen kann, das nach Baro­lo schmeckt. Da gibt es min­des­tens drei Dut­zend ande­re Baro­lo von klei­nen und gro­ßen und bekann­te­ren Pro­du­zen­ten, die wesent­lich lang­wei­li­ger – um nicht zu sagen: beschei­den­der – sind als die­ser Wein. Ich gebe Ihren Freun­den Recht: Wenn man die Fla­sche auf­macht, wirkt die­ser Baro­lo etwas glatt, etwas main­strea­mig, wenn Sie wol­len: etwas lang­wei­lig. Ich habe jedoch – wie ich es immer mache – die halb geleer­te Fla­sche drei Tage offen ste­hen gelas­sen. Der Wein wur­de jeden Tag bes­ser. Das ist ein Zei­chen dafür, dass der Baro­lo Essen­ze das Poten­zi­al hat sich zu ver­fei­nern. Geben Sie ihm ein biss­chen Zeit, und das fas­zi­nie­ren­de Barolo-Feeling wird sich ein­stel­len, glau­be ich – auch wenn die Bäu­me mit die­sem Wein sicher­lich nicht in den Him­mel wachsen.

Antwort schreiben