Die Futures auf den 2024er Bordeaux befinden sich im Sinkflug. Liegt es am Jahrgang? An den Preisen? Oder an der allgemeinen Bordeaux-Müdigkeit?
Es lässt sich nicht leugnen, dass die diesjährige en primeur-Kampagne Bordeaux-Jahrgang 2024 enttäuschend war. Selbst die Châteaux, die ihre Preise unter das Marktniveau gesenkt haben, konnten nur wenig verkaufen. Charles Sichel, Exportdirektor des renommierten Handelshauses Sichel in Bordeaux, gibt offen zu: „Wir haben eine schwierige Kampagne erwartet, aber keine so schlimme.“
Batailley und Pontet Canet haben sich verkalkuliert
Die Katastrophe begann schon am Anfang. Batailley aus Pauillac war diesmal ausersehen, als erstes Chateau mit seinen Preisen für den neuen Jahrgang herauszukommen. Sie lagen bei knapp 30 Euro pro Flasche ex négoçe. Das ist 7,4 Prozent weniger als der Jahrgang 2023 – herzlich wenig angesichts eines Jahrgangs, der bei der Weinkritik alles andere als Begeisterungsstürme ausgelöst hatte. Als zweiter kam Chateau Pontet Canet aus der Deckung, ebenfalls Pauillac. Es hatte extra eine Woche vorher den Bordelaiser Handel zu einem großen Abendessen eingeladen und weihevolle Reden gehalten über den neuen Jahrgang gehalten, speziell über die Cabernet-lastigen Weine von Pauillac mit ihrer neuen Stilistik. Mit dem Fokus auf Feinheit statt auf Konzentration lägen sie voll im Trend. Alles richtig. Aber als ein paar Tage später der Preis für den 2024er Pontet Canet kommuniziert wurde, gab es lange Gesichter: 50 Euro ex Chateau. Damit lag auch dieser Preis bei nur minus 9 Prozent gegenüber 2023 (beziehungsweise minus 33 Prozent gegenüber dem großen Jahrgang 2022). „Pontet Canet hat sich leider verkalkuliert“, beklagt Charles Sichel. „Der Eröffnungspreis war höher als der aktuelle Marktpreis für die besser bewerteten Jahrgänge 2020 und 2021. Das konnte nicht gut gehen.“ Die anderen Chateaux haben aus den Flops von Pontet-Fantet und Batailley gelernt und ihre Preise stärker nach unten angepasst. Chateau Margaux kam 276 Euro pro Flasche ex négociant heraus, dem niedrigsten Preis seit 2014, was einem Rückgang von 25 Prozent gegenüber 2023 entspricht. Andere berühmte Domänen wie Lafite-Rothschild, Mouton-Rothschild und Léoville Las Cases folgten mit ähnlichen Abschlägen. Doch Begeisterung wollte sich trotz der Preisnachlässe nicht einstellen. Die Nachfrage nach dem Jahrgang 2024 war äußerst verhalten – und ist es bis heute.
2024 war für die Chateaux ein extrem schwieriger Jahrgang
Sicher, der Jahrgang 2024 war extrem schwierig. Erst war die Blüte durchgerieselt, was die Erträge erheblich reduziert hatte. Dann begann es im Lesemonat September zu regnen. Die Trauben waren zwar physiologisch reif, aber die Zuckerwerte waren noch zu niedrig: das Gegenteil von dem, womit Bordeaux normalerweise zu kämpfen hat. Die Trauben mussten folglich hängen bleiben, damit weiterer Zucker gebildet wird. Mit dem Regen drohte Botrytis. Das bedeutete wiederum: eine extrem selektive Lese. Faule Beeren mussten aufwendig ausgelesen werden. Mehr noch: Die Beeren vieler Trauben waren ungleich reif, vor allem bei der Sorte Merlot. Eine weiterte Selektion war nötig, um die noch unreifen Beeren zauszusortieren. Nicht alle Chateaux waren in der Lage, mit dieser milderadage – wie der Fachausdruck lautet – fertig zu werden. Das Resultat: ein durchwachsener Jahrgang, mengenmäßig 35 Prozent geringer ausgefallen als der Vorgänger und qualitativ nicht auf dem Niveau des (ebenfalls suboptimalen) 2023ers, auch nicht auf dem des 2021ers. Und schon gar nicht auf dem des grossen 2022ers. Wir bei weinkenner.de haben ausführlich darüber berichtet.
Seit 10 Jahren nur Verluste beschert
In den en primeur-Kampagnen spiegelt sich die mangelnde Attraktivität eines Jahrgangs immer in den Angebotspreisen wider. Die 2023er Weine waren bereits um durchschnittlich 35 Prozent niedriger als die 2022er gehandelt worden (deren Preise allerdings in den Himmel geschossen waren). Der 2024er Weine kamen am Ende noch einmal um 25 Prozent billiger auf den Markt. Zu wenig. Das Desinteresse scheint in den letzten Wochen sogar noch weiter gewachsen zu sein. Die Londoner Weinplattform Liv-Ex berichtet von einem Nachfrageeinbruch von bis zu 60 Prozent bei großen britischen Händlern – dem schlechtesten Wert seit 2013. Auch private Sammler zeigen sich desillusioniert. Nach zehn Jahren enttäuschender Wertentwicklung erwarten sie nun klare, marktgerechte Preise. Zehn Jahre lang haben ihnen en primeur-Käufe Verluste beschert trotz gegenteiliger Versprechungen der Händler, der Chateaux und vieler Kritiker. Noch einmal wollen sie sich nicht an der Nase herumführen lassen. „Die Käufer sind nicht etwa uninteressiert an Bordeaux“, resümiert Liv-Ex Analystin Sophia Gilmore. „Sie sind uninteressiert an Preisen, die nicht dem Markt entsprechen – und doppelt uninteressiert daran, sich täuschen zu lassen.“
Die diesjährige En Primeur-Kampagne für den Bordeaux-Jahrgang 2024 offenbart also eine schwere Krise der traditionsreichen Bordelaiser Institution des en primeur-Verkaufs. Bleibt die Institution erhalten? Wird es weiter in Zukunft überhaupt noch en primeur-Kampagnen geben? Die Antwort von Charles Sichel ist kurz und klar: „Nein.“