Ornellaia hatte im Februar eine Handvoll Journalisten eingeladen, um den neuen Jahrgang zu präsentieren, den 2022er. Und nicht nur ihn. Gleichzeitig stellte sich der neue Gutsdirektor Marco Balsimelli vor. Er ist vor einem Jahr aus Bordeaux gekommen, wo er unter anderem Berater von Château Gruaud-Larose war. Sein erster Jahrgang auf Ornellaia ist der 2024er, der noch in den Fässern schlummert. Für den 2022er war noch sein Vorgänger Axel Heinz zuständig, der 17 Jahre lang die Geschicke von Ornellaia bestimmt hatte (und sich im März 2023 in Richtung Château Lascombes verabschiedet hat). Soviel war den Anwesenden schnell klar: Der 2022er, der vorletzte Jahrgang von Axel Heinz, ist wieder einer jener fabelhaften Weine, wie es sie – mit nur geringfügigen Ausschlägen nach oben und unten – seit 2016 eigentlich jedes Jahr gegeben hat.

Mehr Frische, mehr Eleganz
Dennoch markiert der 2022er einen Einschnitt in der Geschichte von Ornellaia. Der Stil hat sich geändert. Kurz gesagt: weniger Opulenz, mehr Geschmeidigkeit bei gleicher Intensität und gleicher Tiefe. „Wir bei Ornellaia streben nicht Opulenz an, obwohl wir Opulenz dank des warmen, mediterranenen Klimas jedes Jahr haben könnten“ erklärt Balsimelli. „Wir wünschen uns mehr Frische, mehr Feingliedrigkeit, mehr Eleganz. Mit dem 2022er Jahrgang haben wir einen Schritt in diese Richtung getan.“
Fast gleicher Traubenmix
Der Traubenmix ist hat sich nicht groß geändert. Die Basis bildet nach wie vor Cabernet Sauvignon (55%), dazu kommen Merlot (25%) und Cabernet franc (10%). Lediglich der Anteil der Petit Verdot wurde mit 10% leicht erhöht. Die spätreifende Sorte soll für einen Tick mehr Frische sorgen. Der heiße Sommer 2022 hat den Reben viel abverlangt. Der Ertrag sank um 15 Prozent, die Trauben waren kleiner und kompakter. Die daraus resultierende solid to liquid ratio (das Verhältnis von festen und flüssigen Bestandteilen der Maische) stieg, die Vinifikation musste angepasst werden.
Gegenstück zum 2021er
Am Ende kam ein Wein heraus, der in der Farbe dunkel und am Gaumen hoch konzentriert ist, aber etwas leiser auftritt und weniger wuchtig ist. Er hat weniger Extrakt, wird stattdessen von einer feinen Säure geädert. „Moderner als andere Jahrgänge“ beschrieb Lamberto Frescobaldi ihn. Der Marchese ist Präsident der Unternehmensgruppe Frescobaldi, zu der auch Ornellaia gehört. Man könnte auch sagen: Der 2022er das Gegenstück zum hoch gelobten 2021er, der eher eine Demonstration der Wucht und Reife ist. Ob die neue Stilistik von den Ornellaia-Fans verstanden wird, wird sich zeigen. Der Jahrgang kommt im März auf den Markt. Preislich überschreitet er die 300 Euro-Marke.
Degustation älterer Jahrgänge
Neben dem neuen Jahrgang probierten wir einen paar ältere Jahrgänge. Sie zeigen, dass auch die reichen, üppigen Weine ein gutes Alterungspotenzial und viel Appeal besitzen. Zum Spaß ließ Balsimelli bei einem privaten Dinner blind einen 2014er L’Evangile servieren, der im kühlen atlantischen Klima gewachsen ist und mit seiner Eleganz und Frische im übertragenen Sinne als Blaupause für den Ornellaia dienen könnte.

2022 Ornellaia Bolgheri Superiore
Wie immer stammen die Trauben für den Wein aus mehreren Plots des 134 Hektar großen Ornellaia-Besitzes. Der Wein ist dunkel in der Farbe mit violettem Schimmer, zeigt Duftnoten von frischen Marasca-Kirschen und schwarzen Johannisbeeren, dazu Würzaromen von Zimt, Vanille, Piniennadeln mit einem Hauch von Süßlakritz. Frühe Merlot-Lese im August, späte Cabernet Sauvignon-Lese im Oktober. Vergärung getrennt nach Sorten in Stahl- und Betontanks. 18 Monate Barriques-Ausbau (70% neu), danach die Assemblage. Resultat: ein konzentrierter Wein mit feinkörnigem Tannin und großer Länge, der schwerelos über den Gaumen gleitet und große Aromatiefe demonstriert. 97/100
2021 Ornellaia Bolgheri Superiore
Klimatisch ein perfekter Jahrgang mit sonnig-trockenem September und Oktober. Entsprechend gut gelungen ist der Jahrgang: mal wieder vollreife Beere mit kirschig-fruchtiger Kopfnote, mediterrane Macchia-Würze mit Lorbeer, Wachholder, Thymian und zarter Süßholznote. In seiner Üppigkeit (hohe Extrakte, 15 Vol.% Alkohol) ist der 2021er eine Art Gegenpol zum 2022er. Mit seiner Gradlinigkeit ist trotz aller Fülle einer der größten Ornellaia-Jahrgänge überhaupt. 97/100
2015 Ornellaia Bolgheri Superiore
Mehr noch als der 2021er ist dieser Jahrgang der Kontrapunkt zum 2022er: vollmundig und reich mit breiten Schultern, warmer, schon deutlich entwickelter Frucht, milder Säure, dazu viele Nebentöne, die auf fortgeschrittene Reife hindeuten. Zahlreiche Kritiker loben den Jahrgang in höchsten Tönen, ich nicht. Bei aller Bewunderung für die Power vermisse ich Spannung und Frische. 92/100
2011 Ornellaia Bolgheri Superiore
Ein heißer, trockener Jahrgang mit einer schon Ende September abgeschlossenen Lese. Man schmeckt es dem Wein an: üppig, fast überladen mit reifer, erfreulicherweise frischer Frucht, die nie ins Marmeladige abdriftet. Gewaltige Tanninstruktur, die Lamberto Frescobaldi fragen ließ, ob dieser Wein jemals reif wird. Ich habe daran keinen Zweifel. Er hat sich nämlich bereits geöffnet und einen ersten Höhepunkt erreicht – und er weiß zu bezaubern. Dennoch glaube ich nicht, dass der 2011er zu den ganz großen Ornellaia-Jahrgängen gehört. 95/100
2005 Ornellaia Bolgheri Superiore
Anderswo in der Toskana war 2005 ein guter, aber unspektakulärer Jahrgang. Nicht so in Bolgheri. Dort war es ein warmes Jahr, in dem die sommerliche Trockenheit immer wieder von kurzen Regenfällen unterbrochen wurde. Resultat ist ein sehr gut balancierter Wein, der einerseits Struktur und Fülle besitzt, andererseits mit einer sauberen, verführerisch süßen Cabernet-Frucht aufwartet und noch viel Frische besitzt – auch jetzt noch, nach 20 Jahren. Cremig, kräuterwürzig, viel Minze, Bitterschokolade und süßer, heller Tabak. Verfeinert sich sicher noch einige Jahre, aber auch jetzt schon wunderschön zu trinken. 96/100
2001 Ornellaia Bolgheri Superiore
In der ganzen Toskana war 2001 ein großer Jahrgang, auch in Bolgheri. Dem Ornellaia aus diesem Jahrgang schmeckt man es an: warm und würzig mit subtilen Noten von Backpflaumen und schwarzen Johannisbeeren, konzentriert, samtig, am Gaumen mit Noten von Toast, Kaffeebohnen, Sandelholz, Salzlakritz. Der beste Jahrgang bis dahin, jetzt auf seinem Höhepunkt, obwohl er schon etwas an Frische und Temperament verloren hat. „Geblieben ist die Essenz“ drückte Lamberto Frescobaldi es aus. Stimmt. Glücklich, wer noch was von diesem Wein im Keller hat. 98/100
1997 Ornellaia Bolgheri Superiore
Dieser Wein war nicht Teil der offiziellen Verkostung. Wir tranken ihn zum festlichen Abendessen im Weingut aus der Doppelmagnum. Der 1997er ist typisch für die damalige Zeit, als dicke, hochkonzentrierte Weine mit süßer, leicht überreifer Frucht, röstigem Espresso-Aroma und pH-Werten von 3,8 und mehr als chic galten. Der warme Jahrgang 1997 begünstigte diese Stilistik. Heute, nach knapp 30 Jahren, präsentiert sich dieser Ornellaia weniger protzig. Die Dramatik ist weg. Geblieben ist ein abgeklärter Wein, dessen einstige Fülle nurmehr erahnt werden kann, der aber immer noch viel Intensität besitzt und andeutet, welch theatralischer Wein er einmal war. 94/100
Folgende Händler führen den Ornellaia im Sortiment:
www.hawesko.de, www.gute-weine.de, www.moevenpick.wein.de, www.tesdorpf.de, www.getraenkewelt-weiser.de, www.lieblings-weine.de, www.silkes-weinkeller.de, www.weinhandel-fertsch.de, www.vinum-maximum.de, www.weinfreunde.de, www.weinco.de, www.vinello.de, www.bindella.ch