In die Kategorie Fliegengewicht gehört der 2018er HADES-Sauvignon Blanc von Drautz-Able definitiv nicht. Gelesen mit 108° Oechsle, aus der Gärung mit 15,2% Vol. Alkohol herausgekommen und danach im kleinen Holzfass ausgebaut: Das „Kampfgewicht“ dieses Weins ist furchteinflößend – jedenfalls für arglose Fun- und Feierabendtrinker. Eingefleischte Sauvignon Blanc-Fans, denen ein Wein aus dieser Sorte gar nicht genug Brennnessel, grüne Paprika und Stachelbeeren-Geschmack haben kann, werden sich spätestens nach dem ersten Schluck enttäuscht abwenden. Zu fremd duftet und schmeckt dieser Wein mit seinen Aromen von Orangenzesten, Maracuja, getrockneten Aprikosen, Honigmelone und reifer, fast schon mostiger Nashi-Birne. Die Primärfrucht tritt in den Hintergrund, dafür gesellen sich Gewürze wie Anis, Vanille und – mit etwas Luft im Glas – Kakao und Karamell hinzu. „Ich wollte keinen dieser leichtgewichtigen, maximal fruchtigen Sauvignon Blancs machen“, sagte Markus Drautz, Junior-Chef im Heilbronner Familienweinguts Drautz-Able. „Ich wollte einen komplexen, reifetauglichen Wein erzeugen, und habe dafür in Kauf genommen, dass er etwas alkoholreicher als normal ausfällt.“
Reife Aromatik gegen hohen Alkoholgehalt
Dass Markus Drautz kein Freund von Pyrazinen ist (wie die Brennnessel-, Erbsen- und grüne Paprika-Moleküle in der Chemiker-Sprache heißen), fällt schon bei seinem Drei-Trauben-Sauvignon Blanc auf (zur mittleren Linie seines Sortiments gehörend). Dieser Wein ist zwar fruchtbetonter und knackiger als der HADES-Sauvignon Blanc, aber nicht überwürzt oder gar laut. „Es ist alles eine Stilfrage“, schwäbelt der Winzer. „Bei früherer Lese hätte das Traubenmaterial eine grünere Aromatik gehabt. Ich aber finde die reifere Stilistik mit den exotischen Noten viel spannender.“ Also ist er in dem heißen Jahr 2018 einen Kompromiss eingegangen – reife Aromatik gegen hohen Alkoholgehalt. Während der verlängerten Hängezeit der Trauben (die übrigens aus dem „Fischmarkt“, einem Gewann des Heilbronner Stiftsbergs, kommen) werden die Pyrazine nach und nach abgebaut. Das Ergebnis der späten Lese: goldgelbe Beeren mit einem teilweise schon rötlichem Schimmer und hohen Mostgewichten.
Frische aus dem Holzfass
Eigentlich ist Drautz-Able gar nicht als Weißweingut berühmt. Der Fokus hat immer auf Lemberger und Trollinger gelegen – und liegt dort noch immer. Aber nach 2007, dem ersten Jahrgang, den er eigenverantwortlich vinifizierte, begann Drautz zu experimentieren: mit Rebsorten, mit Fässern, mit alternativen Ausbaumethoden. Für seinen HADES Sauvignon Blanc hatte er bald seinen Weg gefunden: reifes Lesegut und Ausbau in kleinen Holzfässern auf der Hefe, 70 Prozent neu. Das Resultat: 2500 Flaschen eines Weins mit präziser, klarer Frucht ohne viel Karamell und Würze, vor allem ohne Verlust an Frische. Durch ständiges Probieren passt Drautz den richtigen Zeitpunkt ab, um den Wein aus dem Fass zu nehmen, solange dieser noch Gärungskohlensäure und damit noch Frische aufweist.
HADES – Württemberger Barrique-Pioniere
Das Fingerspitzengefühl beim Holzfassausbau erlernte Drautz einersexits bei seinem Vater Richard, einem großen Barrique-Verfechter, andererseits bei der HADES-Vereinigung, einer Studiengruppe von sechs Weingütern, die sich 1986 in Württemberg gegründet hatte, um sich mit Weinausbau in neuen Eichenfässern zu beschäftigen. Was heute gang und gäbe ist, war noch vor 30 Jahren Neuland – und bei traditionellen Weintrinkern entsprechend verpönt. Die sechs Württemberger Weingüter, zu denen auch Drautz-Able gehörte, experimentierten vor allem mit einheimischen roten Sorten wie dem Lemberger, aber auch mit internationalen Rebsorten, weiße eingeschlossen. Sauvignon Blanc gehörte dazu. Die Idee war, Weine mit neuer Stilistik zu kreieren, die mit Vielschichtigkeit, Komplexität, Tanninreichtum aufwarteten und einen Kontrapunkt zu den herkömmlichen Weinen setzen sollten.
Nichts für Fans leichter, fruchtbetonter Weißweine
Verkostet habe ich den HADES Sauvignon Blanc zum ersten Mal im Kreis meiner Familie – ein schwieriges Publikum mit genauso konträren Weinvorlieben wie Charakteren. Recht machen konnte es der 2018er nur der Hälfte aller Anwesenden. Nicht überraschend: Wer vordergründige Frucht, spritzige Säure, Leichtfüßigkeit und Trinkfluss liebt, kann mit diesem Wein nicht viel anfangen. Experimentierfreudigere Naturen, die bereit sind, sich auf komplexe Weine einzulassen und sich dabei weder vom hohen Alkohol noch vom (für Württemberger Verhältnisse) hohen Preis abschrecken lassen, werden dagegen ihren Spaß an dem Weinhaben.
2018 Sauvignon Blanc HADES trocken, Weingut Drautz-Able
Preis: 21,50 Euro, Bezug: www.1496.eu