Baden ist vor allem auf seine Burgunder fokussiert und lässt nur ein gebremstes Interesse am Riesling erkennen. Aber es gibt Ausnahmen. Im Kraichgau etwa Burg Ravensburg, deren Weinberge fast zur Hälfte mit Riesling bestockt sind. Ihr Spitzenwein, das GG von der historischen Lage Husarenkappe in Sulzfeld (Jahrgang 2017), kommt von alten Reben mit extrem niedrigen Erträgen, ist entsprechend feinmaschig gewirkt, prunkt mit reifer Beere, recht kräftiger Würze und zugleich mit einer überraschend hohen Säure, die den Pfälzer Rieslingen von der anderen Seite des Rheins nur wenig nachsteht. Ein sehr, sehr guter, allerdings reifebedürftiger Wein, der qualitativ und vom Charakter her für sich steht (92). Das zweite Ravensburger Riesling GG vom Kapellenberg (ebenfalls Jahrgang 2017) ist etwas geschmeidiger, ebenfalls kräuterwürzig, zugleich aber mit leicht mineralischem Unterton (91).
Der Kraichgau: Burg Ravensburg, Heitlinger, Seeger
Genauso überzeugend, aber ganz anders im Stil sind die Rieslinge des Mutterweinguts Heitlinger in Tiefenbach, das seit der Übernahme durch den Bauunternehmer Heinz Heiler vor gut zehn Jahren einen mächtigen Sprung nach vorn gemacht hat. Am Sinnfälligsten wird der Aufstieg dieses Weinguts (dem mittlerweile zweitgrößten in Baden) an den Spätburgundern sowie an seinen Grau- und Weissburgundern. Aber auch der Riesling hat von der präzisen Kellerarbeit und der behutsamen Ökologisierung der Weinberge profitiert, die der Geschäftsführer Claus Burmeister eingeleitet hat (er ist auch für die Geschicke von Burg Ravensburg zustädig). Das GG von Schellenbrunnen ist dicht gewoben mit eleganter Textur und einer subtilen Mineralik – ein sehr sauberer, genauer Wein „modernen“ Zuschnitts (91). Die Gäste des zum Weingut gehörenden Heitlinger Golf Resort sollten lieber auf das 18. Loch verzichten als sich diesen Wein entgehen zu lassen. Der dritte VDP-Streiter im Kraichgau ist das kleine, aber feine Weingut von Thomas Seeger in Leimen. Dessen Hauptaugenmerk gilt – wie bei so vielen Badener Winzern – den Rotweinen, nicht dem Riesling. Angesichts dessen ist sein 2018er GG vom Herrenberg „Oberklamm“ überraschend gut gelungen: ein leicht rauchiger, offenbar im Holzfass ausgebauter Wein von mittlerem Körper, reife Frucht, milde Säure, ziemlich trocken: ein feiner Stoff, nicht zu fordernd (89).
Die Ortenau: Andreas Laible und Markgraf von Baden
Das zweite Riesling-Anbaugebiet Badens, die Ortenau, liegt weiter südlich zwischen Baden-Baden und Offenburg. Bei der Wiesbadener Vorpremiere konnte ich letzten Sommer das 2018er Riesling GG vom Plauelrain „Am Bühl“ von Andreas Laible verkosten: eine Essenz aus einer der besten Kalkmergellagen dieses Teils von Baden, eher geschmeidig als körperreich mit einer Aromenpalette, die vom (süßen) Gravensteiner Apfel bis zum Weissen Weinbergspfirsich reicht, dazu viel Kräuterwürze aufweist und – gar nicht so selbstverständlich – weitgehend durchgegoren ist. „Bis in die Fasern durchgearbeitet“ steht auf meinem Verkostungszettel – ein Urteil, das ich nach abermaligem Probieren ein halbes Jahr später in München nur bestätigen kann (92). Zum ersten Mal hatte ich dort auch das GG vom Schloss Staufenberg des Markgraf von Baden im Glas – allerdings den Jahrgang 2017. Offizielle Bezeichnung des Weins: Durbacher Schloss Staufenberg „K“ Klingelberger Riesling Grosses Gewächs. So sperrig der Name, so handlich der Wein: ein opulenter Tropfen, gedacht für traditionelle Riesling-Liebhaber, die es im Glas reich und üppig lieben. Bei aller Eigenart: Der Wein ist nicht überladen, nicht behäbig, sondern voller Wohlgeschmack und mit einer deutlichen Terroirnote ausgestattet, wie man sie von einem GG erwarten darf. Ein Dinosaurier von Riesling, wie es ihn in Baden sonst nirgendwo mehr gibt. Wenn man diesen Wein als altmodisch bezeichnet, dann im positiven Sinn: kein Mainstream (91). Halt: Auf Schloß Salem am Bodensee, dem zweiten Weingut des Adelsgeschlechts, soll Bernhard Prinz von Baden ein noch üppigeres GG von der Meersburger Chorherrnhalde aufgelegt haben. Dieses habe ich leider nicht verkosten können.
Wenig Riesling am Kaiserstuhl und im Markgräfler Land
Noch weiter südlich im Breisgau und am Kaiserstuhl werden die Rieslinge rar. Huber, Salwey, Keller konzentrieren sich ausschließlich auf die Burgundersorten. Bei Markus Wöhrle existiert Riesling zwar, aber nur als Gutswein, bei Bercher immerhin als Ortswein und als Erste Lage, bei Heger nur als Erste Lage. Ein GG vom Riesling füllt am Kaiserstuhl lediglich das Weingut Stigler ab. Sein 2018er GG vom Winklen „Herrgottswinkel“ habe ich im letzten Sommer als wild, auseinanderstrebend, verstörend empfunden. Jetzt zeigt sich der Wein geläutert. Die verschiedenen Komponenten sind zusammengewachsen, die anfänglich fast abweisende, rohe Säure ist besser eingebunden. Nicht dass der Wein plötzlich brav geworden wäre: Er ist immer noch etwas ruppig und ungeschliffen. Aber er besitzt Substanz und Potenzial (89). Der junge Maximilian Stigler, Geisenheim-geschult und durch internationale Praktika bestens auf den Job vorbereitet, ist in den Familienbetrieb eingestiegen und wird, vermute ich, keine verrückten Sachen auf die Flasche bringen. Dann ist da noch Lämmlin-Schindler, im südlichsten Zipfel Badens in Mauchen gelegen, also im Markgräfler Land, wo Gutedel der Hauswein und Riesling eigentlich ein Irrläufer ist. Gerd Schindler sieht das etwas anders. Nur darf man sein Riesling GG vom Frauenberg (2017) nicht mit denselben Maßstäben messen wie die Rieslinge in nördlicheren Anbaugebieten: ein stoffiger Wein mit reifen Apfel- und Pfirsicharomen und der Fülle eines Grauen Burgunders, der, solange noch jung, erfrischend ist, dem ich aber auf Grund seiner flauen Säure, dem relativ hohen Alkoholgehalt und unnötigen Restsüße als etwas unbalanciert empfinde. Ein großes Entwicklungspotenzial kann ich bei diesem GG nicht erkennen (87). Weissburgunder und Chardonnay bringen in dieser Ecke Deutschlands interessantere Ergebnisse.