Mit 43 pflanzte er den ersten Rebstock, mit 53 blickt er heute auf ein kleines, aber feines Sortiment Weiß- und Rotweine: Hans Rebholz, Winzer aus Liggeringen bei Radolfzell am Bodensee. Da, wo die Fasnacht der Höhepunkt des Jahres ist und Wein – wenn überhaupt – nur zum Hausgebrauch gekeltert wird, bringt Rebholz Weine auf die Flasche, die nicht nur den kleinen Nachbargemeinden, aus denen sie stammen, sondern dem gesamten Bodensee zur Ehre gereichen: saftig und mundfüllend, dabei knochentrocken und mit 7,20 Euro im bezahlbaren Rahmen.
So präsentiert sich jedenfalls sein 2011 Böhlinger Weißburgunder. Ein Wein, der für ein Vesperkörble oder Speckdünnele (wie die Bodensee-Badener ihre „Pizza“ nennen) fast zu schade ist, weil er auch zu einem Saibling aus dem See oder zum Spargel, der in ein paar Monaten wieder auf dem Speiseplan steht, eine gute Figur macht. „Die 2011er sind kräftig ausgefallen, aber gleichzeitig sehr fein“, konstatiert der Jungwinzer mit Genugtuung. „Sie zeigen, dass auch an diesem Teil des Bodensees exzellente Qualitäten entstehen können.“
Weinbau nicht nur in Meersburg und Hagnau
Der Bodensee ist, historisch betrachtet, eines der ältesten Weinanbaugebiete Deutschlands. Schon um 600 nach Christi Geburt wurde dort Wein erzeugt – vielleicht sogar schon früher. Heute stehen am deutschen Ufer gerade mal 570 Hektar (02.02.2012, Anm d. Red.: korrigiert, ursprünglich: 400 Hektar. Danke an Herrn Rebholz für den Hinweis.) unter Reben. Kennern sind vor allem die Orte Meersburg und Hagnau bekannt.
Doch nun wachsen auch Reben in zwei Dörfern, die selbst langjährigen Bodensee-Anrainern wahrscheinlich nicht als Weinbaugemeinden bekannt sind: Gaienhofen auf der Halbinsel Höri sowie in Bohlingen, südlich von Singen und schon in Sichtweite der schweizerischen Landesgrenze. Schuld daran ist in beiden Fällen Hans Rebholz (nicht verwandt oder verschwägert mit dem Pfälzer Weingut Ökonomierat Rebholz aus Siebeldingen). Er hat alte, nur noch auf Flurkarten existierende Lagen mit Müller-Thurgau, Weiß- und Grauburgunder sowie mit Spätburgunder neu bepflanzt.
Ziel: historische Lagen wiederzubeleben
Der studierte Agrarwissenschaftler hatte schon vor Beginn seiner Winzerkarriere mit Wein zu tun gehabt: Ende der achtziger und Anfang der neunziger Jahre stand er den Bodensee-Weingütern des Markgrafen von Baden als kaufmännischer Leiter vor. Später erfüllte er dieselbe Funktion bei einem großen Weinbaubetrieb im grenznahen Schweizer Kanton Schaffhausen.
Im Jahr 2002 machte sich Rebholz schließlich selbständig. Nach der Einsicht in alte Dokumente und dem Studium geologischer Karten stand für ihn fest: Er wollte die historischen, doch bereits vergessenen Weinbergslagen in Bohlingen und Gaienhofen wieder zum Leben erwecken.
Beide Lagen befinden sich in 400 Meter Höhe, gehören also zum Voralpengebiet. Doch sie profitieren, ähnlich wie Meersburg und Hagnau, vom nahen See als Wärmespeicher.
Vulkanische Böden am Galgenberg in Bohlingen
Ein besonderes Juwel sind die zweieinhalb Hektar im Ort Bohlingen, die Rebholz gepachtet hat. Der Weinbau am dortigen Galgenberg profitiert zusätzlich von einer geologischen Besonderheit: Zur aktiven Zeit der Hegau-Vulkane entluden sich die riesigen Magmakammern im Untergrund dieser Region nicht nur aus den Kratern des Hohentwiel, des Hohenstoffeln, Hohenhewen, Hohenkrähen und der anderen Vulkane in der Umgebung.
Der enorme Druck im Erdinneren ließ Magma auch in kleinen Seitenkanälen zur Erdoberfläche aufsteigen, in sogenannten Schloten. Ein solcher Schlot von nur wenigen Metern Durchmesser trat vor rund 13 Millionen Jahren auch beim heutigen Ort Bohlingen zutage. Er spie immer wieder Lava und bedeckte dadurch seine Umgebung mit Tuffgestein. Auf dieser nur wenige Hektar großen Insel von Vulkanboden wurde schon im Mittelalter Weinbau betrieben. Erst nach dem Zweiten Weltkrieg gaben die örtlichen Bauern den Weinbau auf.
Pachtverträge mit 30 Grundeigentümern
Seit 2002 pflanzt Hans Rebholz hier nun wieder Parzelle um Parzelle: mit Burgundersorten, wie es sich auf Vulkanboden gehört. Der schon im mittleren Lebensabschnitt stehende Jungwinzer musste mit über 30 Grundeigentümern Pachtverträge aushandeln.
Auch die Wiederaufnahme der Bohlinger und Gaienhofer Lagen in die Weinbergsrolle verlief nicht ganz ohne bürokratische Hürden. Zuletzt galt es auch, Investitionen in die Kellertechnik zu tätigen.
Mit Feuereifer bei der Sache
Rebholz’ erste Weine belegen, dass sein kühner Plan aufgeht. Das ist vielleicht nicht ganz überraschend, denn wer einen Neubeginn so weit abseits der bekannten Pfade wagt, ist selbstredend mit besonderem Feuereifer bei der Sache. Vom gerade frisch abgefüllten Jahrgang 2011 präsentiert Rebholz nun einen trockenen Weißburgunder, der eine nachdrückliche Empfehlung verdient: Der reintönige Duft wartet mit dezent blumigen Aromen auf, die als erste Andeutungen späterer Würze zu werten sind: mit Nuancen von Maiglöckchen bis Kleeblüte.
Am Gaumen zeigt sich ein druckvoller, von reifer Säure untermalter Wein, der spielend die Balance hält zwischen mineralischem Kern und kräftigem Körper. Er weist die typische Dichte und die hintergründige power auf, die Weine vom Vulkangesteinsboden erlangen können, aber auch die Frische und Nervigkeit der Seeweine.