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Unter 10 Euro: Grieser Lagrein von der Kellerei Bozen

Schon die Farbe ist sensationell: ein Violettrot so tief, dass – sollte versehentlich eine Münze ins Glas fallen – diese ohne Taschenlampe nicht wiederzufinden wäre. Dafür können weder Kellermeister noch Wein etwas. Die Sorte Lagrein ist so dunkel.

Dunkle Weine schrauben den Erwartungshorizont der Weintrinker normalerweise höher. Sie signalisieren, dass es sich nicht um ein dünnes Tröpfchen handelt (was allerdings bei hellen Weinen auch nicht immer der Fall ist), sondern um einen richtigen Wein. Bei diesem Lagrein besteht die Erwartung zu Recht. Er besitzt Substanz. Er hat Körper. Er zeigt, was er hat.

Zu Pizza und Steak

Zum Beispiel ein kräftiges, von keiner Holznote getrübtes, fast noch primärfruchtiges Bouquet, vorherrschend Veilchen und Sauerkirsche, im Hintergrund feuchte Erde, schwarzer Pfeffer, ein Hauch von Bitterschokolade. Dazu ein junges, noch etwas ungestümes Tannin. Und eine herzhafte Säure. Kurz: ein urtümlicher, völlig unverbogener Wein, der hier empfohlen wird, weil er ungemein gut schmeckt und ganz und gar eigenständig ist. Zur Pizza passt er perfekt. Das Putengeschnetzelte wird durch ihn zu einem interessanten Gericht. Dem Steak aus der Pfanne zeigt er die Brust.

Dabei ist die Kellerei Bozen, die ihn erzeugt, eine Genossenschaft. Und der Grieser Lagrein steht in der Betriebshierarchie dieser Genossenschaft ganz unten. Vom Papier her also nichts für feine Zungen. Aber Genossenschaften in Südtirol sind etwas anderes als Genossenschaften in Deutschland. Von ihnen kommen in der Regel die besten Weine, weil sie über die besten Lagen des Anbaugebiets verfügen.

„Gries liefert den samtigsten Lagrein“

Das gilt besonders für die Kellerei Bozen (die aus einem Zusammenschluss der Kellerei St. Magdalener und der Kellerei Gries hervorgegangen ist). Kein anderer Erzeuger Südtirols besitzt so viel Spitzenlagen für die Sorte Lagrein wie sie. Das ist kein Zufall: Der beste Lagrein wächst im Bozner Stadtteil Gries, speziell auf den Kiesböden des Zusammenflusses von Etsch und Talfer. Genau da steht die Kellerei, und genau dort

Kellerei Bozen

befindet sich ein großer Teil ihrer Traubenlieferanten. „Gries steht für den samtigsten aller Lagrein-Weine Südtirols“, sagt Stephan Filippi, Chef und Kopf der Kellerei Bozen.

Für die, die mit der Sorte Lagrein nicht anzufangen wissen: Sie ist eine uralte, einheimische Traube Südtirols. Laut DNA-Analysen soll sie zur großen Familie der Syrah-Gewächse gehören. Doch schmeckt man das dem Wein nicht an. Außerhalb Südtirols hat die Lagrein praktisch nie Verbreitung gefunden. Ihr angestammtes Anbaugebiet innerhalb Südtirols ist der warme Bozner Talkessel. Doch mit dem Aufstieg dieses Weins wurde die Rebfläche dort zu klein, zumal die ausufernde Urbanisation der Stadt Bozen sich krakenhaft in die letzten noch bestehenden Rebanlagen fraß (und weiter frisst).

Heimat des Lagrein: Bozner Talkessel

Bozner Talkessel

Inzwischen wird die Sorte Lagrein auch außerhalb des Bozner Talkessels erfolgreich angebaut, etwa am Fuß der Hänge des Etschtals. In den neuen Weinbergen rankt die Rebe – wie all die anderen Sorten auch – an Drähten, und der Wein, den sie schenkt, schmeckt anders als der Grieser Lagrein. Sein Tannin ist etwas rauer, die Säure etwas höher, die Aromatik fruchtiger und weniger von Kakao- und Schokoladennoten geprägt. Dass dieser Lagrein weniger gut sei, soll damit nicht gesagt werden. Aber nach Einschätzung vieler maßgeblicher Weinkritiker kommen die besten Lagrein-Weine von der Kellerei Muri Gries, der Kellerei Terlan und der Kellerei Bozen – alles Erzeuger, die ihre Trauben aus dem Bozner Talkessel beziehen.

An Fülle und Feinheit sind die Lagrein, die dort wachsen, unübertroffen. Etwa die Lagrein Riserva Taber, der Spitzenwein der Bozner Genossen. Er kommt von alten Rebanlagen des Taberhofs. Entsprechend dicht, weich, rar und langlebig ist der Wein. Freilich kostet er auch rund 25 und nicht 7,90 Euro.

Perfektes Lagrein-Terroir

Wer das perfekte „terroir“ für eine Rebsorte besitzt, ist meist auch bei den einfachen Weinen im Stande Qualitäten zu erzeugen, die anderswo nur mit hohem Aufwand zu erzielen sind. So kommt es, dass auch der Grieser Lagrein wesentlich besser ist, als sein Preis vermuten lässt.

Sicher, wer täglich edle Riojas oder gereifte Bordeaux trinkt, wird mit diesem Wein nichts anfangen können. Snobistischer Schwärmerei ist der Grieser Lagrein unverdächtig. Er ist herzhaft, unverbogen, primärfruchtig und ohne jenen uniformen önologischen Schliff, den mittlerweile jeder Billigwein aus Bulgarien, Mazedonien oder Südspanien aufweist. Wer leckere Weichspüler vorzieht, möge die Hände von diesem Lagrein lassen.

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1 Kommentar

  1. Über welche Bezugsquelle bekommt man den Wein zu diesem Preis? Ich habe bisher nur eine Quelle zu ungefähr 9 € gefunden.

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Autor

Jens Priewe
Jens Priewe
Jens Priewe hat viele Jahre als Politik- und Wirtschaftsjournalist gearbeitet, bevor er auf das Thema Wein umsattelte. Er schreibt Kolumnen für den Feinschmecker und für das schweizerische Weinmagazin Merum. Für den Weinkenner, dessen Gesellschafter er ist, hat er seit der Gründung über 200 Artikel beigesteuert. Außerdem ist er Verfasser mehrerer erfolgreicher Weinbücher (u. a. „Wein – die grosse Schule“, „Grundkurs Wein“). Er stammt aus Schleswig-Holstein, lebt aber seit fast 40 Jahren in München.

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