Dienstag, Oktober 8, 2024
15.2 C
München
spot_img

2009 Les Amis de la Bouissière, Gigondas

Den Brüdern Gilles und Thierry Faravel, die in Gigondas die neun-Hektar-Domaine La Bouissière bewirtschaften, geht der Ruf voraus, keine halben Sachen zu machen. Sie sind Winzer von echten Schrot und Korn, die selbst im Keller stehen und im Weinberg selbst Hand anlegen. Manche ihrer Nachbarn bezeichnen sie als „arbeitswütig“.

Ihr normaler Gigondas Tradition und die hochklassige Cuvée Font de Tonin glänzen bei Erträgen unter 30 Hektolitern pro Hektar immer wieder durch hohe Bewertungen der internationalen Weinkritik. Sie stellen das Gegenprogramm zu den kraftvollen Weinen der Domaine de Santa Duc dar, des führenden Gigondas-Erzeugers. Das kühlere Kleinklima in den hohen Lagen der Dentelles de Montmirail fördert die Differenziertheit, Vielschichtigkeit und auch die Frische der Bouissière-Weine.

Während der Gigondas der beiden Brüder immer einige Jahre der Reife benötigt, um seine ganze Exquise unter Beweis zu stellen, ist der Les Amis zum sofortigen Genuss gedacht, zumindest zum Genuss ab dem zweiten Jahr. Auch wenn er in der Hierarchie ganz unten steht, ist er von seiner Fülle und Frucht her ein überwältigender Wein, der, wenn es um schiere Opulenz ginge, dem doppelt so teuren Gigondas kaum nachsteht.

Gilles und Thierry FaravelMit 14,5 Vol.% Alkohol ist er kein Leichtgewicht. Aber solche Alkoholgehalte sind an der südlichen Rhône auch bei einfachen Weinen die Regel. Für Gilles und Thierry und ihre Freunde ist der Les Amis trotzdem ein Alltagswein, der ungetrübten Trinkgenuss bietet – zu einer einfachen Paté, Lammspießchen oder einem Käse mit Baguette. Les Amis haben sie deshalb den Wein genannt. Zu Deutsch: Die Freunde.

Das Etikett des Weins ist beinahe beschämend schlicht. Außer dem Namen des Weins und der Winzer enthält es keine Angaben, die dem Weintrinker helfen könnten, diesen Wein irgendwie einzuordnen. Nicht einmal ein Jahrgang ist aufgedruckt, und die Bezeichnung Gigondas taucht ebenfalls nirgendwo auf – nur die irreführende Bezeichnung vin de table de France, also französischer Tafelwein.

Eine Provokation, aber korrekt. Denn Les Amis de la Boussière ist zwar im Anbaugebiet von Gigondas gewachsen, darf sich aber nicht so nennen. Neben Grenache und Syrah, den typischen Gigondas-Sorten, enthält er 40 Prozent Merlot-Trauben. Diese Sorte ist für einen Wein aus Gigondas nicht zugelassen. Folglich mussten die Faravels ihren Les Amis zum einfachen Tafelwein deklassieren, ohne nähere Herkunftsangabe, ohne Jahrgang auf dem Etikett.

Die Stadt GigondasGilles und Thierry zucken mit den Schultern und lächeln gequält: Von denen, für die dieser Wein gemacht ist, hat sich noch niemand an dem Etikett gestört. In Supermärkten verkaufen sie ihre Weine nicht, und die Weinfachhändler, die den Wein anbieten, wissen, was sie an dem Les Amis haben. Entweder durch Eigenverkostung oder durch einen Blick in Robert Parkers Wine Advocate: Mit 91 Punkten hat der Amerikaner diesen Tafelwein bewertet.

Aber wie sind Gilles und Thierry auf die Merlot gekommen? „Wir haben“, wie der für den Keller zuständige frühere Jazz-Bassist Thierry anmerkt, „die sinnenbetörenden Qualitäten der Merlot beim Pétrus entdeckt, dem berühmten Pomerol-Wein.“

In den Weinbergen dieses Luxus-Bordeaux wächst die Merlot auf einem von blauem Lehm geprägten terroir, und weil sie dort eine so ungeheuer elegante, geschliffene Frucht entwickelt, haben Gilles und Thierry gedacht, sie könnten es auch einmal mit der Merlot versuchen.

Eine Parzelle mit Lehm- und Ton besitzt die Domaine de la Bouissière nämlich auch, unten am Flüsschen Ouvèze, wo man trotz der schönen Rollkieseldecke für die Rhône-Sorten keine besonderen Qualitäten erwarten darf. Da Probieren über Studieren geht, hatten Gilles und Thierry dort vor 12 Jahren Merlot angepflanzt. Das Resultat war schlicht umwerfend: tiefstes Purpurviolett, eine enorme Aromafülle von Schwarzkirsche, Holunder, etwas Cassis und Zimt in der Nase und eine freigiebige, geradezu vibrierende junge Frucht, die mit einem Hauch von zerriebenen Blättern von Schwarzkirsche und reifen Waldbeeren bis hin zu leicht mentholigen Cassis-Noten reicht. Enorme Stoffigkeit, reife, zartbittere Tannine und ein bemerkenswerter Nachhall – und das alles zum Preis einer Kinokarte. „Genuss für alle Tage“, freut sich Gilles Faravel, der sich um die Reben kümmert.

Man täusche sich nicht, trotz des geringen Preises: Wer den Les Amis de la Bouissière in eine anonyme Probe mit den Spitzen der Ventoux-Region einschmuggelte, etwa mit einem syrahbetonten Vacqueyras oder einem jugendlichen Châteauneuf-du-Pape, der würde vermutlich sein (violett-)blaues Wunder erleben.

- Anzeige -spot_img
- Anzeige -spot_img

Autor

Must know

- Anzeige -spot_img

Ähnliche Artikel

- Anzeige -spot_img