2007 Barbaresco – Angelo Gaja: sündhaft teuer, unverschämt gut

2007 Barbaresco von Angelo Gaja
Angelo Gaja ist ein erfolgreicher und weltweit hoch geschätzter Weinproduzent. In Deutschland tut er sich allerdings schwer. Seine Weine sind vielen der hiesigen Piemont-Liebhaber einfach zu teuer. Wer Gaja nicht kennt und seine 2007er nicht probiert hat, wird sich schwerlich vom Gegenteil überzeugen lassen. Jens Priewe hat sie verkostet.

Alle Theo­rie ist grau. Gajas 2007er Bar­ba­res­co mag auf dem Papier sei­nem Vor­gän­ger unter­le­gen sein. Doch im Glas über­strahlt er den 2006er bei wei­tem. Und nicht nur ihn, son­dern alle Jahr­gän­ge des neu­en Jahr­tau­sends. Der Wein ver­steckt sich nicht, wie Nebbiolo-Weine es so häu­fig tun. Er ist offen, herr­lich fruch­tig, extrakt­süß, gar nicht tanninhart.

Einen so fei­nen, typi­schen Bar­ba­res­co habe ich das letz­te Mal vor 35 Jah­ren getrun­ken. Es war der 1974er Bar­ba­res­co von Gio­van­ni­ni Mores­co, ein Wein, des­sen Ruf damals in ganz Ita­li­en die Run­de mach­te und der wahr­schein­lich mehr Ita­lie­ner zum Nebbiolo-Trinken bekehrt hat als der Hei­li­ge Franz wei­land zum christ­li­chen Glau­ben. Die­sen Wein wer­de ich nie ver­ges­sen. Er war ähn­lich hell in der Far­be. Er glänz­te mit einer Pinot-ähnlichen Frucht. Er besaß Tie­fe. Kurz: Er strahl­te über das Glas hinaus.

Inzwi­schen dürf­te der Wein aus­ge­trun­ken sein. Und den Herrn Giovannini-Moresco gibt es nicht mehr. Er hat Bar­ba­res­co ver­las­sen. Zwar lieb­te er den Wein sehr. Aber noch mehr lieb­te er die Frau­en. Sei­nen Wein­berg hat er erst ver­pach­tet, dann ver­kauft. Er gehört nun Gaja. In des­sen Weinbergs-Portefeuille ist die­ser Wein­berg nur einer von  20, aus denen die Trau­ben für sei­nen Bar­ba­res­co kom­men. Aber einer der besten.

Angelo Gaja und Tochter GaiaDer Jahr­gang 2007 wird als sehr guter, aber nicht als her­aus­ra­gen­der Jahr­gang bewer­tet. Die Reben ächz­ten unter der Hit­ze des Som­mers und lit­ten unter der Tro­cken­heit. Die Lese muss­te vor­ge­zo­gen wer­den, um zu ver­hin­dern, dass die Trau­ben über­reif wer­den. Im Jahr zuvor hat­ten ähn­li­che Bedin­gun­gen geherrscht. Doch im Sep­tem­ber hat­te es dann eini­ge Regen­güs­se gege­ben. Die Reben konn­ten sich erho­len, die Trau­ben lang­sam aus­rei­fen. 2006 gilt als gro­ßer Jahrgang.

Wenn es nur um Lang­le­big­keit und Struk­tur gin­ge, wäre Gajas 2006er Bar­ba­res­co wahr­schein­lich der bes­se­re Wein. Er ist ins­ge­samt kom­ple­xer, damit aber auch schwe­rer, ver­schlos­se­ner, rei­fe­be­dürf­ti­ger. Der 2007er kann gegen ihn nur jenen unge­heu­ren Frucht­charme in die Waag­scha­le wer­fen, dem der Herr Gio­van­ni­ni Mores­co sei­ner­zeit schon mor­gens erlag, als er noch schlaf­trun­ken im Pyja­ma durchs Haus wank­te auf der Suche nach einem sau­be­ren Glas. Bezie­hungs­wei­se zwei. Ich woll­te auch einen Schluck haben.

Man­che Wein­pro­du­zen­ten ver­glei­chen den Jahr­gang 2007 mit dem eben­falls hei­ßen, sehr tro­cke­nen Jahr­gang 2003. Die­ser Ver­gleich stimmt nicht. 2003 waren die meis­ten Bar­ba­res­co und Baro­lo alko­hol­reich, aber flach und unreif im Tan­nin. Gajas 2007 Bar­ba­res­co ist ganz anders. Er besitzt Fri­sche. Die Frucht ist nicht mar­me­la­dig, das Tan­nin fest und reif. Ich kann mich an kei­nen Baro­lo oder Bar­ba­res­co der letz­ten Zeit erin­nern, bei dem zu so frü­hen Zeit­punkt bereits so viel Neb­bio­lo aus dem Glas ström­te, der so spielerisch-leicht über den Gau­men roll­te und der so genuss­voll zu trin­ken war – den Wein des Herrn Gio­van­ni­ni Mores­co mal ausgenommen.

Sicher, mit rund 120 Euro pro Fla­sche ist der Gaja-Wein kein Schnäpp­chen mehr. Aber wer Schnäpp­chen sucht, wird weder bei Gaja, noch im Bur­gund, noch bei Gui­gal, Peter Siss­eck oder ande­ren Wein-Koryphäen fün­dig. Um einen ver­gleich­bar per­fek­ten Wein zu fin­den, gibt es lei­der nicht vie­le Adres­sen im Pie­mont. Und bei denen zahlt man nicht unbe­dingt weni­ger, manch­mal sogar mehr.

Man könn­te mir vor­hal­ten, ich hät­te gut reden. Ich müs­se die Wei­ne nicht bezah­len, son­dern bekom­me sie als Wein­jour­na­list geschenkt. Stimmt. Wer auf den Fotos genau hin­schaut, kann leicht erken­nen, dass der Jahr­gang auf dem Eti­kett mit Schreib­ma­schi­ne geschrie­ben und auf­ge­klebt ist. Es han­delt sich also um Ver­kos­tungs­mus­ter, über­reicht von Ange­lo Gaja mit der freund­li­chen Bit­te, die Wei­ne zu Hau­se nach­zu­ver­kos­ten und sich ein objek­ti­ves Bild von ihnen zu machen.

Lei­der bekom­me ich von berühm­ten Burgunder-Produzenten kei­ne sol­chen Ver­kos­tungs­mus­ter zuge­sen­det, obwohl ich mir auch über deren Wei­ne ger­ne ein objek­ti­ves Bild machen wür­de. Ich muss sie kau­fen. Gui­gal und Peter Siss­eck schi­cken mir eben­falls nichts. Und wer lässt Sie glau­ben, dass mir eine ein­zi­ge Fla­sche 2007 Bar­ba­res­co von Gaja genü­gen wür­de, um unbe­scha­det durch den Win­ter zu kommen?

Man könn­te mir wei­ter vor­hal­ten, dass ich ange­sichts der Groß­zü­gig­keit des Win­zers mich nun mit einem über­trie­ben guten Urteil über des­sen Wein revan­chie­ren wol­le. Falsch. Ange­lo Gaja hat mir näm­lich noch drei wei­te­re Fla­schen zukom­men las­sen: sei­ne Lagen­wei­ne Cos­ta Rus­si, Sori Til­din und Sori San Loren­zo. Da scheue ich mich nicht zu sagen: Ich wür­de sie nicht kaufen.

Die drei Wei­ne kom­men als Lang­he Neb­bio­lo auf den Markt, weil sie fünf bis acht Pro­zent Barbera-Trauben ent­hal­ten, was mit den Sta­tu­ten des Bar­ba­res­co nicht ver­ein­bar ist. Sowohl die Barbera- als auch die Nebbiolo-Trauben stam­men aus Bar­ba­res­co, so dass die Wei­ne zwar nicht de jure, aber de fac­to Bar­ba­res­co sind.

Soviel vor­weg. Die drei Wei­ne sind noch opu­len­ter als der ein­fa­che Bar­ba­res­co. Ihre Tann­in­struk­tur ist mäch­ti­ger, ihre Frucht rei­fer. Trotz­dem besit­zen sie eine phä­no­me­na­le Fri­sche. Ich habe die drei Wei­ne nicht ver­kos­tet, son­dern getrun­ken, und zwar mit gro­ßer Fas­zi­na­ti­on. War­um ich sie dann nicht kau­fen wür­de? Zum einen, weil sie etwa 300 Euro pro Fla­sche kos­ten und ich lan­ge arbei­ten müss­te, um das Geld zusam­men­zu­krie­gen. Zum ande­ren, weil der ein­fa­che Bar­ba­res­co gegen sie plötz­lich rich­tig bil­lig ist.

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