2006 Poggio delle Faine: “Für so einen Wein sind auch 9 Euro zu viel”

Etikett Poggio delle Faine und Som­me­lière Paula Bosch
Viele Händler und manch Weinkritiker brechen in Jubel aus, wenn die Rede auf den Poggio delle Faine kommt: ein Rotweinbestseller aus der Toskana, der in Branchenkreisen als „Tignanello unter zehn Euro“ gepriesen wird und in der TOP 100-Liste der Zeitschrift „Weinwirtschaft“ auf Platz zwei der erfolgreichsten Weine gelangte. weinkenner.de bat Paula Bosch, die scheidende Sommelière des Münchener Restaurants Tantris, um ein Urteil über den Wein.

Pau­la Bosch, die im April das Tan­tris ver­lässt, um sich als Bera­te­rin für Hotel­le­rie, Gas­tro­no­mie und Wein­events selbst­stän­dig zu machen, schreibt uns:

„Heu­te ein klei­ner Bei­trag zum The­ma ‚Wei­ne, die ihren Preis nicht wert sind’ (auch wenn die­ser Wein noch so güns­tig erscheint und noch so hoch gelobt wird). Ich habe den 2006er Pog­gio del­le Fai­ne in den letz­ten Tagen im Tan­tris gekos­tet. Mei­ne Kost­no­tiz lau­tet: dun­kel­ro­te Far­be wie Kirsch­saft, glän­zend in der Far­be – aber kein ‚Strah­le­mann’. Der Duft zeigt aus­ge­präg­te Holz­tö­ne eher künst­li­cher Natur. Wenig Frucht, Spu­ren von herbst­li­chen Blü­ten, Laub, Gewür­ze wie Pfef­fer, Mus­kat­nuss, Vanil­le. Her­kunft? Reb­sor­ten? Kein Ansatz von typi­schen Duft­no­ten. Kei­nen kla­ren Hin­weis. Nichts. Auch im Mund prä­sen­tiert sich die­ser Pog­gio del­le Fai­ne als fig­ur­lo­ser, bana­ler Wein, ohne Cha­rak­ter. Weich­ge­spült, aber nicht rund. Gro­be Tan­ni­ne, kei­ne Kon­tu­ren. Irgend­wie gefäl­lig, aber weder nach­hal­tig noch gut, kur­zer, aus­drucks­ar­mer Abgang. Für so einen Wein sind 9 Euro zu viel.

Nach aus­gie­bi­ger Recher­che im Inter­net war ich dann sehr über­rascht über all die Lobes­hym­nen auf die­sen Wein. Wie kann der Pog­gio del­le Fai­ne auf Platz 2 der 60 erfolg­reichs­ten, meist­ver­kauf­ten Rot­wei­ne in Deutsch­land gelan­gen? Und wie ich lese, lan­de­te der 2004er im Jahr vor­her sogar auf Platz 1.

Übri­gens: Mei­ne Kol­le­gen im Tan­tris urteil­ten ähn­lich über den Wein, einer war sogar noch stren­ger als ich. Wir wie­der­hol­ten die Pro­be eini­ge Stun­den spä­ter. Glei­ches Ergeb­nis. Auch der Tag danach brach­te kein mil­de­res Urteil. Am Ende stand ein kla­res Nein als Kaufempfehlung.“

Nachtrag von weinkenner.de

Der Pog­gio del­le Fai­ne kommt aus kei­nem Wein­gut, son­dern aus einer Kel­le­rei: der Can­ti­ne Mini­ni, die ihren Sitz in Vero­la­nuo­va bei Bre­scia hat. Die­se Kel­le­rei bie­tet Wei­ne aus zuge­kauf­ten Trau­ben oder zuge­kauf­tem Jung­wein aus ganz Ita­li­en an: vom Vene­to über Abruz­zen, Apu­li­en bis nach Sizi­li­en. Der Pog­gio del­le Fai­ne besteht zu 80 Pro­zent aus San­gio­ve­se und zu 20 Pro­zent aus Caber­net Sau­vi­gnon – die klas­si­sche Tignanello-Cuvée.

Das „Pro­jekt Pog­gio del­le Fai­ne“ ist nach Aus­kunft von Mario Mini­ni, dem Geschäfts­füh­rer der Kel­le­rei, das Resul­tat „einer sorg­fäl­ti­gen Aus­wahl klei­ner Wein­pro­du­zen­ten zwi­schen Flo­renz und Pisa“. Genau­er gesagt: Die Trau­ben lie­fern eine Hand­voll Win­zer aus dem Städt­chen Cer­re­to Gui­di west­lich von Flo­renz, gele­gen im Chianti-Gebiet. Sie vini­fi­zie­ren die Trau­ben und lie­fern den Jung­wein an die Can­ti­ne Mini­ni, wo der Wein aus­ge­baut wird.

Der Pog­gio del­le Fai­ne Rosso reift laut Kel­le­rei sechs Mona­te in klei­nen Fäs­sern, vor­wie­gend aus fran­zö­si­scher Eiche, und sechs Mona­te in gro­ßen Fäs­sern. Vom Jahr­gang 2006 wur­den 50 000 Fla­schen erzeugt. Er ist bereits seit über zwei Jah­ren auf dem Markt. Im April 2009 erhielt er auf der gro­ßen Degus­ta­ti­on anläss­lich der Vini­ta­ly in Vero­na eine „Erwäh­nung“, einen Monat spä­ter bekam er bei den Decan­ter Wine Awards die Aus­zeich­nung „com­men­ded“ (eine Aus­zeich­nung, die nach der Bron­ze­me­dail­le kommt).

Im März 2010 wur­de ihm auf der Inter­na­tio­na­len Ber­li­ner Wein Tro­phy eine Gold­me­dail­le zuge­spro­chen. Im Dezem­ber 2010 beleg­te der Wein in der Top 100-Liste der Zeit­schrift „Wein­wirt­schaft“ Platz 2 unter den 60 erfolg­reichs­ten Rot­wei­nen auf dem deut­schen Markt. In die­sem Wett­be­werb stel­len füh­ren­de deut­sche Wein­gü­ter, Genos­sen­schaf­ten und inter­na­tio­na­le Kel­le­rei­en sowie deut­sche Impor­teu­re und Agen­tu­ren die aus ihrer Sicht erfolg­reichs­ten Wei­ne ihres Port­fo­lio an. Die­se Wei­ne wer­den dann von einer inter­na­tio­na­len Jury blind ver­kos­tet und bewer­tet. Der 2006 Pog­gio del­le Fai­ne erhielt bei die­sem Wett­be­werb 89/100 Punkten.

Ver­trie­ben wird der Pog­gio del­le Fai­ne in Deutsch­land von zahl­rei­chen Händ­lern. Die Preis­span­ne liegt zwi­schen 8,90 bis 9,80 Euro. Gene­ral­im­por­teur in Deutsch­land ist das Wein­kon­tor Freund in Vers­mold. Auf­grund des gro­ßen Erfol­ges die­ses Weins ist sei­ne Pro­duk­ti­on stark aus­ge­wei­tet wor­den. Für den Jahr­gang 2011 wird eine Pro­duk­ti­ons­men­ge von 250 000 Fla­schen anvisiert.

Der Nach­fol­ge­jahr­gang 2007 kommt im Sep­tem­ber 2011 auf den Markt.

11 Kommentare

  • Seit 25 Jah­ren genie­ße ich ita­lie­ni­sche Wei­ne. Heu­te trank ich einen 2011 Pog­gio del­le Fai­ne. Ein Wort faßt es zusammen:

    Aus­ge­zeich­net.

  • Wenn Frau Bosch “wenig Frucht” tes­tiert, muss sie einen ande­ren Wein gekos­tet haben, als ich.
    Kei­ne “typi­schen Durft­no­ten” zu fin­den, ist mehr als erstaun­lich, zumal bei einer Cuve. Ins­ge­samt hält die Dame eine Art Publi­kums­be­schimp­fung ab, weil offen­bar sehr vie­le Ver­brau­cher sich trau­en, einen ganz ande­ren Geschmack zu haben, als sie.
    Ich gebe NICHTS auf sogen.Fachleute ( die auch nicht unab­hän­gig sind ) und gehe nur nach mei­nem eige­nen Geschmack!

  • Also ich habe heu­te zu Weih­nach­ten den Wein getrun­ken und muß sagen, daß er mir gut gefal­len hat. Viel­leicht habe ich kei­nen exqui­si­ten Gau­men, aber gegen­über zu ande­ren Wei­nen ist er recht “süf­fig”. Ich sel­ber war Lieb­ha­ber vom “Rio­ja Vega Bra­via” hat aber Wohl Wein­gut gewech­selt, und der letz­te Jahr­gang aus dem neu­nen Wein­gut war besch***…..bin aber immer offen für gute Weinvorschläge…der Vega lag bei 8 €……

  • Lie­be Coca Cola Wein­trin­ker­frak­ti­on! – sol­che schlech­ten Wei­ne gibt es im LEH für viel weni­ger Geld. Einer der schlech­tes­ten Wei­ne, den ich auf der Pro­Wein ver­kos­ten muss­te. Das Chi­an­ti hat in die­ser Preis­klas­se wirk­lich tol­le Wei­ne zu bie­ten, aber der ist es nicht! Kom­plett im Kel­ler gemach­ter schlech­ter Main­stream! Viel Spaß beim genie­ßen! Sol­che Wei­ne ärgern mich! !!

  • Tja, Frau Bosch hat von einem halb­wegs objek­ti­ven und pro­fes­sio­nel­len Stand­punkt betrach­tet voll­kom­men recht – die­ser Wein gibt nichts her, weder irgend­et­was tos­ka­ni­sches noch ander­wei­tig indi­vi­du­el­les, er ist rest­los austauschbar.
    …aber er ist gut gemach­ter Main­stream, der ein­fach ankommt. Das net­te Pack­a­ging, der zwar haar­sträu­ben­de, aber rei­zen­de Tignanello-Vergleich, Vanil­le­ge­schmack, ein Hauch Rest­sü­ße, mar­me­la­di­ge Extrak­ti­on, all das kommt bei Deutsch­lands Wein­freun­den pri­ma an.
    Der wich­tigs­te Punkt ist aber der Preis! Denn alle genann­ten Fak­to­ren sug­ge­rie­ren, daß es sich um ein hoch­klas­si­ges Pro­dukt zu einem Schnäpp­chen­preis han­delt – da schlägt unse­re Geiz ist geil-Mentalität ein­fach kri­tik­los zu…

  • Habe den Pog­gio del­le Fai­ne letz­te Woche bestellt, ges­tern und heu­te getrun­ken – und kann die nega­ti­ven Urtei­le der soge­nann­ten Wein­ken­ner nicht nach­voll­zie­hen. Der Wein ……………… schmeckt ein­fach! Punkt.

  • Sor­ry,
    aber wer kei­ne Ahnung von Wein hat, soll lie­ber Was­ser trinken…

    Der “Test” – und auch zwei der Kom­men­ta­re ent­beh­ren jeg­li­cher Grund­la­ger, die­sen erst­klas­si­gen Wein so zu verunstalten…
    Die­ser Wein ist ein­fach geni­al!!! Vom Preis, als auch vom Geschmack, Bou­quet, etc., etc…
    Wer weiss… Vllt. wer­den die­je­ni­gen, die sich hier als Wein­ken­ner (oder als Wein­händ­ler) bezeich­nen von ande­rer Sei­te besto­chen, oder sie wol­len sich hier ihrer man­geln­den Ahnung wegen, mit ihren Kom­men­ta­ren profilieren!

    Fazit: Ein wun­der­ba­res “Gesöff”… Er sei allen Lieb­ha­bern von tos­ka­ni­schen Rot­wei­nen wärms­tens ans Herz gelegt!

  • Auch ich habe mich gefragt, war­um die­ser Wein hoch­ge­lobt wird. Die Ant­wort habe weder ich, noch mei­ne Kun­den, bei einer Wein­pro­be gefun­den. Der Weiss­wein ist ähn­lich cha­rak­ter­los. Ich habe bei­de aus mei­nem Sor­ti­ment genom­men. Da gibt es wirk­lich bes­se­re Alter­na­ti­ven (die auch deut­lich weni­ger kosten).

  • Scha­de dass ich den Kom­men­tar von Frau Bosch zum “Pog­gio del­le Fai­ne” nicht frü­her gele­sen habe. Viel­leicht hät­te ich mir dann den Kauf einer Fla­sche 2006er die­ses cha­rak­ter­lo­sen Gebräus verkniffen.
    Die­ser Wein muss eine wah­re Cash Cow für deut­sche Wein­dis­tri­bu­to­ren sein, ange­sichts eines Prei­ses von stol­zen 9 Euro sowie des dünn­häu­ti­gen Kom­men­tars eines Brancheninsiders.
    Frau Bosch hat völ­lig Recht: da ist nichts, rein gar nichts, was die­sen Wein von ande­rer gesichts­lo­ser Mas­sen­wa­re unter­schei­det. Aus­ser dem Preis und der schi­cken Papier­hül­le. Offen­bar ist das schon genug, um in Deutsch­land die­ses 0815 Zeug unters Volk zu bringen.
    Fazit: Lie­ber den 3€ Nero d’Avola vom Aldi, der hat Cha­rak­ter und ich bekom­me drei für den Preis. Mein Gott, für 9€ habe ich Spa­ni­er im Kel­ler, die um meh­re­re Klas­sen bes­ser sind.

  • Der Kom­men­tar von Pau­la Bosch über den Pog­gio del­le Fai­ne lässt deut­lich die Fra­ge auf­kom­men. Wer hat die Dame besto­chen ??? Pau­la Bosch ist mit Sicher­heit eine kom­pe­ten­te Fach­per­son, jedoch so scheint mir wur­de Sie im Vor­feld nega­tiv beein­flusst. Pog­gio del­le Fai­ne hat in Deutsch­land sei­ne Wein­lieb­ha­ber und die wer­den immer mehr. Erfolg zieht Nei­der mit sich das ist ganz nor­mal. So auch bei Pog­gio del­le Fai­ne. Wein­ge­schmack ist sub­jek­tiv und da darf jeder sei­ne Mei­nung dazu haben. Aber unge­rech­ter Art und Wei­se einen Wein halt­los schlecht zu reden ent­behrt mei­ner Mei­nung nach jeg­li­che Eti­ket­te in der Wein­bran­che. Frau Bosch hat sich mit Ihrem Kom­men­tar auf jeden­fall kein Gefal­len getan.

    Mit freund­li­chem Gruß
    Peter Dost­mann Han­dels­agen­tur der Weinweltberater

Antwort schreiben