Für Bordeaux-Liebhaber sind Frühjahr und Sommer die wichtigste Jahreszeit. Da hängen zwar noch keine Trauben an den Rebstöcken. Aber die Händler bieten den neuen Jahrgang an. Der 2010er schlummert zwar noch im Fass, wird aber bereits gehandelt. Jens Priewe versucht in einfachen Worten zu erklären, was Subskription ist und wo die Risiken liegen.
Während der 2010er Bordeaux noch in den Fässern seiner Reife entgegen dämmert, wird er auf dem Markt bereits gehandelt. Das heißt: Man kann ihn vorbestellen. Ausgeliefert wird er erst zwei Jahre später, wenn er in der Flasche ist. Subskription heißt diese Art von Vorverkauf.
Von wenigen Ausnahmen abgesehen, gibt es den Kauf per Subskription nur in Bordeaux. Clevere Leute nutzen ihn, um in den Genuss günstiger Preise zu kommen. Denn in diesem frühen Stadium ist der Wein in der Regel noch günstig – sofern man das bei den Preisen sagen kann, die derzeit in Bordeaux aufgerufen werden. „Lieber den Wein vorfinanzieren als zwei Jahre später das Doppelte für ihn zahlen“, hat Pierre-Antoine Casteja, einer der bekanntesten Négoçiants von Bordeaux, die Idee beschrieben, die hinter dem Subskriptionskauf steht.
Bordeaux ist auch eine Währung
Die Banken zahlen für Festgeld derzeit durchschnittlich 3 % Zinsen pro Jahr. Wer würde da nicht eine Anlage vorziehen, die 100% in zwei Jahren verspricht? Und Bordeaux ist nicht nur ein Wein. Er ist ein Wert. Manche behaupten sogar: eine Währung. Auf jeden Fall eine solidere Anlage als irische Staats- oder griechische Schrottanleihen. Das Risiko ist überschaubar: „Das Schlimmste, was dem Bordeaux-Anleger passieren kann, ist, dass er seinen Wein selber trinken muss“, witzelt Casteja.
Schöne Aussichten! Doch es gibt auch andere, weniger freundliche Szenarien: Das Schlimmste ist, wenn der Wein später weniger kostet als man vorher gezahlt hat. Das würde schmerzen. Dann schmeckt auch der beste Bordeaux nicht mehr. Beim 2005er ist das fast passiert. Ein überragender Jahrgang, deswegen sehr teuer in der Subskription. Zu teuer, befand der Markt, nachdem die Natur mit dem 2009er einen angeblich noch besserer Jahrgang beschert hatte. Die Preise für den 2005er stagnierten. Teilweise fielen sie. Inzwischen liegen sie wieder im Plus. Die stürmische Nachfrage nach dem 2009er und die noch höheren Preise für den 2010er haben sie förmlich mit nach oben gerissen.
Können die Jahrgänge immer besser werden?
Der 2009er galt bis zum letzten Jahr ultimativ als das Beste, was Bordeaux in den letzten Jahrzehnten hervorgebracht hat. Deshalb haben sich viele Bordeauxtrinker verwundert die Augen gerieben, als ruchbar wurde, dass mit dem 2010er schon ein Jahr später ein gleich guter Jahrgang vor der Tür stehen sollte. Viele Chateauxbesitzer meinen sogar: ein noch besserer.
Georges Thienpont, Besitzer von Vieux Chateau Certan, spricht vom 2010er nur in Superlativen: „Noch nie waren die Weine so dunkel, noch nie wiesen sie so seidige Tannine auf wie in 2010.“ Für Frédéric Engerer, Direktor von Chateau Latour, ist der 2010er bereits jetzt „rundum perfekt“. Coralie de Bouard, Tochter von L’Angélus-Besitzer Hubert de Bouard, mutmaßt: „Es ist der vielleicht der beste Jahrgang, den mein Vater je gemacht hat.“ Ihr Vater ist seit 1987 für die L’Angélus-Weine verantwortlich. Und Pauline Vauthier, Besitzerin von Chateau Ausone, bekennt ohne Umschweife: „Meine Begeisterung über den 2010er ist noch größer als die über den ebenfalls außergewöhnlichen 2009er.“
Investment nie ohne Risiko
Lohnt es sich nun, den 2010er zu subskribieren? Qualitativ auf jeden Fall. Aber das Preisniveau ist hoch. Sollte die Nachfrage, die derzeit vor allem durch außereuropäische Käufer genährt wird, zurückgehen, werden die Preise fallen. Wer jetzt kauft, wird dann zuviel gezahlt haben. Mit diesem Risiko muss leben, wer Wein subskribiert. Doch derzeit deutet nichts darauf hin, dass dieses Szenario eintritt. Die USA werden nicht zahlungsunfähig werden. Und die Einführung der Prohibition droht den westlichen und fernöstlichen Weintrinker-Nationen nicht. Auch ist unwahrscheinlich, dass der Jahrgang 2010, wenn er im Frühjahr 2013 auf den Markt kommt, nicht halten könnte, was er verspricht. Nicht nur die Chateaux-Besitzer schwärmen. Praktisch alle Kommentare der Kritiker, die ihn verkosten konnten, sind voll des Lobes über ihn.
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